Organspende: Bundestag lehnt Widerspruchslösung ab
Das deutsche Parlament hat am Donnerstag gegen ein Gesetz gestimmt, das den Organmangel in der Transplantationsmedizin bekämpfen sollte. Der Entwurf sah vor, dass automatisch als Organspender gilt, wer sich nicht explizit dagegen ausspricht. Nun bleibt es also umgekehrt: keine Verwendung ohne Einwilligung. Die Kontroverse um das Thema spiegelt sich in der deutschsprachigen Presse wider.
Solidarität darf nicht erzwungen werden
Die Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau, Bascha Mika, begrüßt das Votum der Abgeordneten:
„Bei einem existenziellen Thema, das im wahrsten Sinne des Wortes Leben und Tod betrifft, haben [die Abgeordneten] ein fundamentales Menschenrecht bestärkt. Der Staat darf nicht über den Körper verfügen, selbst wenn er damit Gutes erreichen und Leid mindern will. ... So sehr es ein Gebot der Humanität ist, um das Überleben verzweifelter Patienten zu kämpfen, die auf eine Transplantation warten - so wenig darf die Solidarität mit ihnen erzwungen und gegen die Unantastbarkeit des Körpers ins Feld geführt werden.“
Staat muss Entscheidung der Bürger einfordern
Eine Demokratie hat geradezu die Pflicht, ihren Bürgern eine Entscheidung zur Organspende abzuverlangen, betont die Neue Zürcher Zeitung:
„Demokratie lebt von aktiven, informierten Bürgern, die bewusst und verantwortungsvoll handeln. Freiheit und Demokratie setzen die Fertigkeit voraus, den Wert und die Folgen einer Entscheidung einzuschätzen. Der Staat sollte nicht die Richtung vorgeben, aber er kann die Auseinandersetzung mit wichtigen Themen fördern. ... Jede dieser Einengungen muss ständig überprüft werden, und sie gelten nicht als Rechtfertigung für zukünftige Grenzen. Aber sie können dabei helfen, die Freiheit des Einzelnen im Lichte eines höheren Zwecks zu betrachten. In diesem Fall geht es um das Leben Tausender und die Pflicht des Staates, sich für alle Menschen einzusetzen – auch für die kranken.“
Schlechte Nachricht für ganz Europa
In Österreich gilt bei der Organspende bereits eine Widerspruchslösung. Dass der Bundestag sich nun dagegen ausgesprochen hat, bedauert Der Standard:
„Schade, dass der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn nun mit einem ähnlichen Vorschlag [wie in Österreich] gescheitert ist. Die deutsche Entscheidung hat nämlich europaweit Auswirkungen, denn das medizinisch hochtechnisierte Land, das Transplantationen durchführen kann, muss sich die Organe aus anderen Ländern holen. Die deutsche Organknappheit hat schon in der Vergangenheit zur unappetitlichen Diskussion über Zuteilungen geführt. Die Hauptleidtragenden sind die zahllosen Kranken auf den Wartelisten. Es wäre eine Aufgabe der deutschen Politik gewesen, sich vor diese schwächsten Glieder der Gesellschaft zu stellen. Diese historische Chance wurde vergeben.“