Was taugt Trumps Friedensplan für Nahost?
Donald Trump hat am Dienstag seinen Nahost-Friedensplan vorgestellt. Er sieht eine Zweistaatenlösung mit Teilen Ost-Jerusalems als Hauptstadt Palästinas vor, gleichzeitig aber auch die Anerkennung jüdischer Siedlungen im Westjordanland sowie Jerusalems als israelischer Hauptstadt. Kommentatoren fragen sich, ob es irgendein Szenario gibt, unter dem der Plan überhaupt realisierbar wäre.
Palästinenser müssen sich einig werden
Ob Trumps Plan verwirklicht wird oder nicht, hängt nicht von der Zustimmung Dritter ab, analysiert Hürriyet Daily News:
„Anfängliche Einwände gegen den Plan oder dessen Akzeptanz durch dritte Parteien dürften nicht so viel Bedeutung haben, sofern die Palästinenser nicht eine geschlossene Position dazu entwickeln. Die Polarisierung des palästinensischen Volkes zwischen Hamas und Fatah (und anderen) ist keiner Art von Friedensgesprächen zuträglich. Gibt es irgendwo irgendeine magische Formel, mit der Frieden unter den Palästinensern geschaffen werden kann?“
Der Plan eines Businessmans
Der US-Präsident glaubt, der Friede im Nahen Osten sei letztlich nur eine Preisfrage, meint Kommersant:
„Die Idee ist, Milliardeninvestitionen nach Palästina zu locken, die das Israel feindlich gesinnte Gebilde in ein friedliches und blühendes Gebiet verwandeln - worauf die von ihrem neuen Leben verwöhnten Palästinenser keine Lust mehr auf die frühere Isolation haben. Sollten die Verbündeten der USA in der Region zu Sponsoren dieses neuen Marshall-Plans für Nahost werden, dann könnten auf der Westbank und im Gaza-Streifen Projekte entstehen, die das Leben der Palästinenser bis zur Unkenntlichkeit verändern würden. Und dann lösen sich vielleicht alle aktuellen Probleme von alleine. Kurzum, der US-Präsident ist überzeugt, dass die Nachgiebigkeit der Palästinenser gekauft werden kann und die Frage dabei nur der Preis ist.“
Westbank gegen Wüste
Dieser Plan ist ein Betrugsversuch, findet Cyprus Mail:
„Es ist empörend, dass die jüdischen Hauptsiedlungen in den besetzten Gebieten, die nach internationalem Recht illegal sind, bestehen bleiben würden, da dieses Gebiet unter israelischer Souveränität käme. Im Gegenzug für die Aufgabe von 30 Prozent der Westbank würden die Palästinenser ein großes Stück Wüste erhalten! Während Israel alles bekommen würde, was es will, wäre die Staatlichkeit der Palästinenser davon abhängig, wie ihre Führung den Terrorismus bekämpft, die Hamas demontiert und die Hetze gegen Israel beendet.“
Unhaltbarer Zustand wird zementiert
Die Süddeutsche Zeitung befürchtet, dass der Weg für echte Verhandlungen nun langfristig versperrt ist:
„Nun, da die mächtigste Nation der Welt die Maximalforderungen der israelischen Rechten übernommen hat, wird auf absehbare Zeit kein Ministerpräsident in Jerusalem mehr von diesen Positionen abweichen können. Dazu wäre ein fundamentaler Wandel in der politischen Landschaft Israels nötig, der ist aber nicht abzusehen. ... Jahrelang wiederholte Netanjahu, er sei zu Gesprächen bereit, wenn die Palästinenser auf sämtliche Vorbedingungen wie einen Siedlungsstopp verzichten. Nun hat er dieses Motiv umgedreht, will dann verhandeln, wenn die Palästinenser Trumps Plan in allen Punkten anerkennen. Sonst bleibt es beim eigentlich unhaltbaren Status quo, vielleicht für immer.“
Arabisches Zünglein an der Waage
Dass über Trumps Friedensplan letztlich außerhalb Israels und Palästinas entschieden wird, glaubt Rzeczpospolita:
„Es sind nicht Mahmud Abbas oder die Hamas, die über das Schicksal des Friedensplans entscheiden, es ist die Solidarität der arabischen Länder mit den Palästinensern. Doch diese zerfällt. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate reagierten zurückhaltend auf das Abkommen, allerdings ohne es zu beerdigen. Ägypten und Jordanien wiederum haben nicht signalisiert, dass sie die Zusammenarbeit mit Israel auf einmal untergraben wollen. Dies ist der Moment, in dem arabische Länder in besonderem Maße nach Washington schauen. Die USA werden entscheiden, wer aus der großen Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im Nahen Osten als Sieger hervorgehen wird: der Iran und seine Verbündeten oder Saudi-Arabien und seine arabische Allianz.“
Der Kreml wäre insgeheim gern Juniorpartner
Der Journalist Arkadi Dubnow weist in einem von newsru.com übernommenen Facebook-Post darauf hin, dass die USA die einzige Weltmacht sind, die überhaupt einen Friedensplan anbieten kann:
„Nur ein Land, ein Weltgendarm, der keinen Heller auf das Völkerrecht gibt, hat die Ambitionen, Möglichkeiten und Ressourcen, seinen Anspruch auf eine Lösung des Nahost-Problems zu erklären. ... Das kann man natürlich ablehnen, man kann rumpoltern oder dem Kontrahenten mit Zeichentrickfilmen von auf Florida gerichteten Atomraketen drohen - aber man muss trotzdem anerkennen: Niemand außer diesem Kontrahenten hat globale Pläne, realistische oder nicht, zur Friedensschaffung. ... So ist es nun mal. Bezeichnend ist, dass Moskaus Reaktion auf diesen Plan äußerst vorsichtig war und voll verdeckter Bereitschaft, ihn zu unterstützen, wenn sich der geheime Wunsch erfüllen sollte, dabei Co-Sponsor sein zu dürfen.“
Immerhin endlich ein Vorschlag
Die Palästinenser sollten das rund 50 Seiten lange Papier wenigstens in Ruhe studieren, rät Helsingin Sanomat:
„Was ist das für ein Frieden, den zwei Politiker präsentieren, denen Straftaten vorgeworfen werden und bei dem eine zentrale Partei des Konflikts fehlt? Dennoch wäre es jetzt gut, sich hinzusetzen und den Plan zu lesen, in dem den Palästinensern zumindest in gewisser Hinsicht die von ihnen gewünschte Zweistaatenlösung versprochen wird. … Nicht weil Trump außergewöhnliche Fähigkeiten in der internationalen Politik bewiesen hätte oder der Plan fertig oder ausgesprochen fair erscheint, sondern weil nun der erste Plan seit Jahren auf dem Tisch liegt.“
Eine Demütigung für alle Araber
Trumps Friedensplan ist schon deshalb Makulatur, weil die Palästinenser nicht an seiner Entstehung beteiligt waren, kritisiert der Kurier:
„Egal, Trump glaubt in seiner 'großen und unübertroffenen Weisheit' (Eigendefinition) ohnehin zu wissen, was für die Palästinenser gut ist. Nämlich das, was für Israel gut ist: ein von jüdischen Siedlungen zerfurchter, nicht lebensfähiger Zwergerlstaat unter der Knute Israels. Der Plan ist eine Demütigung für alle Araber. Die Chance auf Umsetzung liegt bei null. Was bleibt: Eine PR-Aktion für zwei bedrängte Staatenlenker - Trump kämpft gegen seine Absetzung, Israels Premier Netanjahu gegen ein Korruptionsverfahren. Und das ist wirklich bitter. Denn die Menschen in der Region verdienen sich nach fast 75 Jahren Blutvergießen endlich Frieden.“
Ein Traum für Netanjahu
Auch De Telegraaf kritisiert den Plan und hält ihn für ein gelungenes Ablenkungsmanöver:
„Ein Blick auf die Karte zeigt die Unausführbarkeit der Vorschläge. Das ist kein palästinensischer Staat, sondern ein Archipel, dessen Inselchen mit schmalen Wegen miteinander verbunden sind. ... Jetzt kann Netanjahu die Annektierung [von besetzten Gebieten] in Gang setzen. Bisher war der Premier wegen der möglichen Folgen davor zurückgeschreckt: etwa internationalen Sanktionen oder einem Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Gut einen Monat vor der Wahl ist das aber sein letzter Rettungsanker. Den ersten Sieg hat er bereits in der Tasche. In Israel spricht niemand mehr über seinen Korruptionsprozess. Dank sei Trump, der trotz seiner schönen Worte die Palästinenser den Wölfen zum Fraß vorwirft.“
Schluss mit dem falschen Spiel
Einen Verdienst hat Trumps dreister Deal bei aller notwendigen Kritik, hält Le Temps fest:
„Der Plan ist ein Skandal, eine Farce und eine Beleidigung der Vernunft. Würde er wirklich umgesetzt, hätte er aber auch etwas Gutes: Er würde nach über einem halben Jahrhundert Täuschung und Verstellung endlich Klarheit in die Lage im Nahen Osten bringen. … Schluss mit der Beschwörungsformel der 'zwei nebeneinander existierenden Staaten', weg mit einer palästinensischen Autonomiebehörde, die seit Jahrzehnten keinen Nutzen mehr hat. ... Von ihrem Deckmantel befreit, erscheint die Lage, wie sie wirklich ist: eine seit langem de facto 'annektierte' palästinensische Bevölkerung, die sich aus Mangel an Souveränität nun bemühen muss, ähnliche Rechte wie die der Israelis zu fordern.“
Auch arabischer Applaus für Trump
Dass sich unter denen, die Trump und Netanjahu gestern im Weißen Haus applaudierten, auch arabische Botschafter fanden, hebt Nahost-Experte Bernardo Valli in La Repubblica hervor:
„Israel ist im Nahen Osten nicht mehr isoliert. Obwohl es nicht immer diplomatische Beziehungen zu ihnen unterhält, steht Israel auf der Seite der Sunniten, die von Saudi-Arabien angeführt werden. … Der gemeinsame und größte Feind bleibt das Ajatollah-Regime im Iran. Dieses unterstützt (auch wenn sie Sunniten sind) die Palästinenser des Gaza-Streifens und des Libanon, der Hamas und des Islamischen Dschihad - weil sie Feinde Israels sind. Die Folge ist, dass die Araber die Palästinenser nicht mehr mit voller Überzeugung unterstützen. ... Trump kann mit seinem Friedensplan somit die Karten im Nahen Osten neu mischen.“