Wird Bahnprojekt Rail Baltica zum Abstellgleis?
Die Rail Baltica gehört zu den größten europäischen Infrastrukturprojekten. Bis 2026 sollen Züge von Warschau über Kaunas, Riga und Tallinn bis nach Helsinki fahren können. Finanziert wird der Bau vorwiegend durch EU-Gelder. Doch Kommentatoren aus Litauen, Estland und Lettland sind nicht überzeugt von dem Projekt.
Für Draisinen reichen die Schienen allemal
Litauische Medien haben kürzlich berichtet, dass die bereits gebaute Strecke zwischen Polen und Litauen nicht den europäischen Standards entspricht und modernisiert werden muss. Alfa schäumt vor Wut:
„Es stellte sich heraus, dass zusätzlich etwa 700 Millionen Euro benötigt werden, um neue Schienen neben den bereits bestehenden zu verlegen. Denn auf letzteren können die Züge nicht mit der vorgesehenen Geschwindigkeit (mindestens 200 km/h) fahren. Vize-Verkehrsminister Gytis Mažeika faselt herum, dass alles nicht so schlecht sei, denn schließlich hätten wir Schienen, die genutzt werden können. (Vielleicht um mit einer Draisine nach Polen zu fahren, um billiges Bier zu kaufen?) Niemand wird diese Schienen nutzen, gekostet haben sie allerdings so viel, als ob sie vergoldet wären.“
Es fährt ein Zug nach nirgendwo
Eesti Päevaleht fürchtet, dass das baltische Riesenprojekt als große Enttäuschung endet:
„Es wird geplant und hier und dort wird auch gebaut und man gibt Geld aus. Doch ist völlig unklar, ob man mit der Rail Baltica in den 2020er Jahren auch nur von Tallinn nach Pärnu [im Süden Estlands] fahren kann, von anderen Orten ganz zu schweigen. Wenn die baltischen Regierungschefs es nicht bald schaffen, die Führung des Unternehmens sinnvoll umzugestalten und Finnland wieder ins Boot zu holen, hat es keinen Sinn mehr, von einem internationalen Rail-Baltica-Projekt zu reden. Die 'Zusammenarbeit' wie bisher fortzusetzen bedeutet, dass wir im besten Fall in zig Jahren eine teure Bahnlinie bekommen, die man international nennt, aber die die Verbindung von Estland nach Europa nicht wirklich auf ein neues Niveau hebt.“
Bauarbeiter könnten knapp werden
Für Diena ist Rail Baltica eine Herausforderung nicht nur für Politiker:
„Es gibt nicht nur die durch politische Ambitionen ausgelösten Streitereien und unterschiedliche Ansichten zum ökonomischen Nutzen von Rail Baltica. Dieses Projekt ist auch eine zutiefst praktische Herausforderung - für seine Erbauer. Hoffentlich wird Rail Baltica nicht in Eile gebaut und die Qualität nicht geopfert, um Fristen einzuhalten. ... Schon jetzt haben die Politiker und die Unternehmer erkannt, dass sie für das Projekt Tausende Mitarbeiter gleichzeitig benötigen. ... Wahrscheinlich werden die lokalen Reserven nicht ausreichen und wir müssen die Arbeitskräfte entweder aus anderen Sektoren anlocken oder den Arbeitsmarkt für Gastarbeiter aus der Ukraine und Belarus öffnen.“