Corona-Pandemie: Sternstunde für Autokraten?

Zur Bekämpfung des neuartigen Coronavirus setzen fast alle Staaten auf restriktive Maßnahmen, die die Freiheiten ihrer Bürger zum Schutz der Gesundheit beschränken. Einige gehen dabei jedoch weiter als andere. Journalisten fragen sich, ob unter dem Deckmantel der Virusbekämpfung Diktaturen erstarken oder ob auch autoritäre Herrscher am Ende erkennen müssen, dass sie gegen das Virus machtlos sind.

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NV (UA) /

Unbegrenzte Befugnisse

Für autoritäre Herrscher ist es der perfekte Moment, um ihre Macht weiter auszubauen, erklärt Publizist Iwan Jakowyna auf dem Onlineportal nv.ua:

„Was passiert beispielsweise auf den Philippinen: Diktator Rodrigo Duterte hatte auch früher schon die Polizei aufgefordert, auf mutmaßliche Drogendealer zu schießen. ... Und mit dem Coronavirus kam ihm eine neue Idee. Er lässt Armee und Polizei auf die schießen, die die Quarantäne-Bestimmungen nicht einhalten. ... Als erstes schickte man Truppen los, um Menschen zu töten, die gegen die Nahrungsmittelknappheit in der Stadt Quezon protestierten. ... Auch Viktor Orbán träumt seit Jahren von einer umfassenden Machtfülle. ... Er war auch schon früher der autoritärste Herrscher in der EU. Aber durch die Pandemie erhielt Orbán von seinem Parlament, wovon er geträumt hatte - praktisch königliche Befugnisse - unbefristet.“

The Irish Times (IE) /

Zensur und Vertuschung werden sich rächen

Intransparenz und Inkompetenz im Kampf gegen das Virus könnten diktatorische Regime zu Fall bringen, meint The Irish Times:

„Seit den frühesten Tagen des Ausbruchs der Coronavirus-Pandemie haben autokratische Regierungen versucht, Informationen über die Krankheit zu kontrollieren und zu unterdrücken. ... Eine ansteckende und potenziell tödliche Atemwegserkrankung kann mit den klassischen Handlungsanleitungen eines Diktators nicht bekämpft werden. Das Virus kann nicht erschossen, weggesperrt oder einfach weggeleugnet werden. Das hat einige Regierungen nicht davon abgehalten, auf altbewährte Strategien zurückzugreifen. ... Doch keine Form der Zensur wird einen schlecht geführten Staat vor diesem schrecklichen Virus schützen. Wenn Autokraten versuchen, ihre eigenen Fehler zu vertuschen und dabei ihr eigenes Volk noch mehr gefährden, werden sie selbst einen großen Preis bezahlen müssen.“

El Mundo (ES) /

Diktaturen üben keine Selbstkritik

Nach mehr als zweieinhalb Monaten streng kontrollierter Abriegelung öffnen die chinesischen Behörden mit der Stadt Wuhan den Ursprungsort der Pandemie. Niemand wird hier kritisch Bilanz ziehen, glaubt El Mundo:

„China erlebt heute einen symbolischen Tag, an dem es ein Szenarium des Todes zurücklässt, in dem wir noch teils mittendrin, teils am Anfang stecken. Ein Tag, an dem man sich daran erinnern sollte, dass verantwortliches Handeln der Regierung und die Disziplin jedes einzelnen nötig sind, um die Epidemie erfolgreich zu bekämpfen. Aber es ist auch ein Tag, an dem man nicht vergessen darf, eine kritische Bilanz des Handels zu fordern. Hier unterscheiden sich liberale Demokratien von Diktaturen. China dient hier nicht als Vorbild.“