Estnisches Parlament streitet über Erntehelfer
In Estland ist wegen der anstehenden Erdbeerernte eine Debatte über Saisonarbeiter entbrannt. Die Regierung will trotz Bitten der Landwirte und im Gegensatz zu den Nachbarländern nach wie vor keine Erntehelfer ins Land lassen - aus Gründen des Infektionsschutzes. Die Landespresse hat kein Verständnis für diese Haltung und vermutet ideologische Motive bei der rechtsextremen Regierungspartei Ekre.
Wir brauchen Erdbeeren, keine Ideologie
Eesti Päevaleht meint, Ekre vergraule ihre Stammwählerschaft:
„Sollte man sich wundern, dass der Nachfolger der früheren Landvolkpartei in dieser schweren Zeit der estnischen Landwirtschaft den Rücken kehrt? Eher nicht, denn für Ekre geht es längst um alles andere als die Anliegen der Landwirte. In der Frage der Saisonarbeiter hinkt die Logik der Partei und guckt nicht in den Kalender. ... Einerseits mahnt die Regierung die Unternehmer an, lokale Kräfte einzustellen, erschwert dies aber mit den Arbeitsmarktmaßnahmen. Es gilt ja das System der Gehaltsentschädigungen, das die große Entlassungswelle mindestens bis Juli aufschiebt. ... Im Kontext der heurigen Ernte praktische Entscheidungen zu treffen, die auf der Ideologie der Fremdenfeindlichkeit beruhen, ist pure Dummheit.“
Regierung gefährdet Lebensmittelsicherheit
Õhtuleht warnt vor einer stärkeren Abhängigkeit von Importen:
„Wenn die Landesgrenzen für die Auswanderung der eigenen Arbeitskräfte offen, für die Einwanderung der Gastarbeiter aber geschlossen sind, ist Arbeitskräftemangel das Ergebnis. Auf die große Arbeitslosenzahl hinzuweisen ist vergebens, denn Büroangestellte passen nicht in die heutige Landwirtschaft. Estland wird kaum anders klarkommen als der Rest Europas, wo Saisonarbeiter aus billigeren Ländern angestellt werden. Dasselbe hat man in Estland sogar in der Vorkriegszeit getan mit polnischen Arbeitern. Jetzt gefährdet die Regierungskoalition unsere Lebensmittelsicherheit und gibt den Lebensmittelimporten einen Vorteil auf dem Markt, während die eigenen Landwirte gezwungen sind, einzupacken.“