Olof-Palme-Mord: Überwindet Schweden sein Trauma?
Die Staatsanwaltschaft hat 34 Jahre nach dem Mord am schwedischen Premier Olof Palme einen Verdächtigen benannt: Stig Engström, ein politisch rechts stehender Sportschütze, der immer wieder in den Ermittlungen aufgetaucht war. Er beging im Jahr 2000 Selbstmord. Die Untersuchungen werden nun eingestellt. Kommentatoren erinnern an Olof Palme und fragen nach der Tragweite der Ermittlungsergebnisse.
Nur die Zeit heilt die Wunde
Trotz der Einstellung der Ermittlungen ist der Fall für die meisten Schweden nicht abgeschlossen, glaubt Helsingin Sanomat:
„Vielleicht hat Engström den Abzug wirklich gedrückt. Es kann sein, dass er keine Helfer hatte. … Nichts davon wurde jedoch bewiesen. Deshalb ist es schwer zu glauben, dass der Auftritt am Mittwoch vielen Schweden genügt, um den Fall Palme nun abzuschließen. Der Mord an Palme wurde in Schweden oft als nationale Wunde oder nationales Trauma bezeichnet, die erst geheilt werden könne, wenn der Fall gelöst wäre. … Das Heilen der Wunde wird weiterhin durch die älteste Medizin, nämlich die Zeit, erfolgen. Die Polizei ist dazu nicht imstande gewesen.“
Die Demokratie ist stärker
Aftonbladet erinnert daran, dass direkt in der Mordnacht eine neue schwedische Regierung gebildet wurde:
„Rückblickend erscheint diese Nacht als der ultimative Beweis für die Stärke der schwedischen Demokratie. Und für die Kompetenz und Loyalität dieser Generation von Politikern angesichts der Aufgabe, die ihnen übertragen wurde. Wenn die heutige Information bedeutet, dass der Mord an Olof Palme nur noch dokumentiert werden kann, dann bleibt dennoch viel, das weiterlebt. Das Erbe des Politikers Palme natürlich. Der Mord bleibt eine offene Wunde. Es bleibt der Einblick darin, wie Polizei und Behörden bei der Suche nach dem Mörder versagt haben. Aber es zeigt sich auch die Stärke einer Demokratie, die ihre Legitimation aus Volksbewegungen und der Verantwortung für die Gesellschaft ableitet.“
Endlich werden Fehler eingestanden
Der Auftritt des Staatsanwalts Krister Petersson verdient Lob, meint die Süddeutsche Zeitung:
„Mit ihm brachte - nach 34 Jahren - endlich jemand den Mut auf, der Öffentlichkeit klar zu sagen: Die Polizei hat grobe Fehler gemacht. Wir haben es nicht geschafft, den Mörder vor Gericht zu stellen. Die Fehler lassen sich nun nicht mehr korrigieren. Denn es bleiben offene Fragen, die wohl nie beantwortet werden können: War Engström ein Einzeltäter oder hatte er Komplizen? Was war sein Motiv? Hatte er den Mord geplant oder war es die spontane Tat eines psychisch kranken Waffennarrs? … Es bleibt zu hoffen, dass Polizei und Öffentlichkeit in Schweden nun wenigstens gründlich aufarbeiten, wie es zu diesem unbefriedigenden Ergebnis kam.“
Bewundert und gehasst
An den einstigen schwedischen Premier erinnert De Volkskrant:
„Palme war ein Politiker seiner Zeit, bewundert von den Linken wegen seines Kampfes gegen Unrecht in der Welt, verabscheut von den Rechten wegen seines moralischen Zeigefingers, seiner umstrittenen Unterstützung für die palästinensische PLO von Jassir Arafat und seine freundlichen Worte für den kubanischen Diktator Fidel Castro. ... Olof Palme war ein brillanter Intellektueller, der auch von den sozialdemokratischen Arbeitern geschätzt wurde. Aber er konnte arrogant sein und Gegner verletzen mit seiner scharfen Zunge. In rechten Kreisen wurde er deshalb von so manchem gehasst.“
Ein undogmatisches Vorbild
Die konservative Tageszeitung El Mundo lobt Palme für einen moderaten Politikstil:
„Palme beeinflusste eine ganze Generation linker Politiker, wie Felipe González in Spanien. Die schwedische Sozialdemokratie war ein Vorbild und ein Argument dafür, den ideologischen Dogmatismus zu überwinden, der das 20. Jahrhundert mit Blut beschmutzt hatte. Man schwor dem Marxismus ab und akzeptierte einen umverteilenden sozialen Liberalismus, der die kapitalistische Entwicklung als Quelle für Reichtum mit starkem sozialen Schutz verknüpfte.“