Österreich: Kanzler Kurz vor dem "Ibiza-Ausschuss"
In Österreich soll ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Hintergründe der sogenannten Ibiza-Affäre aufklären, die 2019 zum Sturz der Regierung von konservativer ÖVP und rechter FPÖ geführt hatte. Am gestrigen Mittwoch musste sich der damalige und heutige Kanzler Sebastian Kurz Fragen zur Rolle seiner Partei in der Affäre stellen. Welches Licht werfen seine Antworten auf seine Politik?
Keine Neuigkeiten, keine smoking gun
Kurz ist ohne Kratzer davongekommen, konstatiert der Kurier ernüchtert:
„Keine Neuigkeiten, keine Beweise, keine smoking gun. ... Es ging mehr um Formalismen ... als um Inhalte. So kommt man Kurz nicht bei. So bleibt auf der dicken Teflon-Schicht, die sich der Kanzler in seinen politischen Jahren bereits zugelegt hat, nichts haften. Mit seiner rhetorischen Begabung, mit höflicher Unverbindlichkeit, mit ein, zwei emotionalen Ausbrüchen überstand er den Fragemarathon locker. ... Unabhängig davon, was am Ende des U-Ausschusses steht, zeigen Ibiza und die Folgen aufs Neue, wie schamlos manche Würdenträger agieren und wie sehr diese bereit sind, die Grenzen der Legalität auszureizen, wenn nicht sogar zu überschreiten. Die Blauen [von der rechten FPÖ] waren wieder so dumm, sich erwischen zu lassen. Strukturelle Parteibuchwirtschaft ist unserem politischen System aber immanent.“
Es wird gepackelt wie eh und je
Kurz konnte die berechtigte Kritik nicht wegwischen, urteilt dagegen Der Standard:
„Einen allzu souveränen Eindruck hat der Kanzler im Ausschuss nicht gemacht. ... Der Vorwurf oder der Verdacht, er habe gegen ein Gesetz verstoßen, ließ sich aber nicht verdichten. Politisch kann man dem Kanzler nach diesem Auftritt durchaus am Zeug flicken. ... Kurz ist in der Politik mit dem Versprechen angetreten, alles neu und besser zu machen, mutmaßlich ist er dafür auch gewählt worden. Nach seinen Aussagen im Ausschuss kann man sagen: Dieses Versprechen hat er nicht eingelöst. Unter seiner Kanzlerschaft wurde (und wird wohl) gedealt, gemauschelt und gepackelt. Nicht die Besten bekommen die Jobs, sondern die mit den besten Verbindungen. ... Nein, das ist nicht illegal. ... Aber es ist alles andere als neu, sauber oder sympathisch.“
Justiz und Polizei müssen reformiert werden
Der österreichische Rechtsstaat gibt in den vergangenen Wochen ein verheerendes Bild ab, findet die Süddeutsche Zeitung:
„Zu den Korruptionsvorwürfen in mehreren Schattierungen haben sich ungeklärte Anschuldigungen von Vertuschung, politischen Interventionen und Schlamperei gesellt. Es ist der Eindruck entstanden, dass Ermittler und Politik nicht an der schonungslosen Aufarbeitung eines der bedeutendsten Korruptionsfälle der österreichischen Geschichte interessiert sind. Dass die Republik zwar offenbar ein Problem mit Korruption hat, aber nicht den Willen, dieses Problem zu lösen. ... All die Vorkommnisse unterstreichen, was Experten seit Jahren fordern: Justiz und Polizei müssen in Österreich dringend reformiert, Versuche parteipolitischer Einflussnahme auf die Justiz unterbunden werden. ... Sonst ist der nächste Korruptionsskandal nur eine Frage der Zeit.“