Trump und Biden im TV-Duell: Wie war's?
Der republikanische US-Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden von den Demokraten haben sich am Dienstagabend auf Fox News ihr erstes TV-Duell im Wahlkampf geliefert. Kommentatoren beschreiben, welchen Eindruck die Kandidaten bei ihnen hinterlassen haben.
Präsident hätte lieber zu Hause bleiben sollen
Bei seinem Auftritt während des TV-Duells hat Trump sich so richtig blamiert, findet Telegram.hr:
„Der Wahlkampf hat gezeigt, dass Trump keine Kontrolle über sich hat, geschweige denn über den Staat. Es war mühsam, dem Präsidenten der USA dabei zuzuschauen, wie er sich vor der ganzen Welt als Bully und Barbar blamierte. Aber das ist das Bild des jetzigen Amerikas - die Wähler haben genau diesen Bully gewählt. Trump hat sich selbst mit seinem Auftritt in dieser Debatte keinen Gefallen getan. ... Falls er denkt, er habe mit solch einem Auftritt eine Trendwende zu seinen Gunsten bewirkt, hat er sich ernsthaft verkalkuliert. Es wäre schlauer gewesen, er wäre erst gar nicht zur Debatte gekommen.“
Schweigen wäre für Biden Gold gewesen
Mit seiner Reaktion auf Trumps Verhalten hat Biden viele Punkte verloren, glaubt der Kolumnist Aristos Michailidis in Phileleftheros:
„Trump hat mich nicht enttäuscht, weil das einfach nicht mehr möglich ist. ... Ich war jedoch sehr enttäuscht von Biden, der angesichts des Mobbings seines Gegners die Haltung eines ernsthaften, zivilisierten, gemäßigten und gelassenen Politikers verlor, den dieses große Land im Moment so sehr braucht. ... Biden reagierte ziemlich abrupt auf die erwartbaren Schläge von Trump, der ihn 73 Mal unterbrach. ... Wenn der demokratische Kandidat nur einen Schritt zurückgetreten wäre und demonstrativ geschwiegen hätte, hätte er viele Punkte gewonnen, glaube ich. Sicherlich viel mehr als mit seinem 'Halten Sie endlich die die Klappe', mit dem er Trump anschrie und damit die Kontrolle verlor.“
Zwiegespräch mit der eigenen Wählerschaft
Für unentschlossene Wähler hatte diese Debatte keinen Mehrwert, resümiert Kaleva:
„Beide Kandidaten sprachen in erster Linie zu ihren eigenen Unterstützern, während es doch wichtig gewesen wäre, die Unentschlossenen auf die eigene Seite zu ziehen. Der Großteil der Wähler hat schon entschieden, wen er wählt, aber es gibt auch noch Unentschiedene. Das ist auch der Grund, warum Trump so heftig auftrat, um Biden alt und schwach erscheinen zu lassen. ... Bei der jüngsten Debatte zeigte Biden jedoch präsidiale Belastbarkeit, indem er Trumps Angriffe nur belächelte. Unter der Redeflut konnte er noch nicht einmal etwas Unüberlegtes sagen.“
Ein Bürgerkrieg ist nicht mehr ausgeschlossen
Die Berliner Zeitung ist entsetzt, dass Trump sich nicht von der neofaschistischen Miliz Proud Boys distanziert hat:
„'Stand back and stand by' - Haltet euch zurück und haltet euch bereit. Wofür aber sollten diese bewaffneten Neonazis sich bereithalten, wenn nicht für die von Trump offenbar für möglich gehaltenen oder sogar erwünschten Kämpfe in den Straßen der amerikanischen Städte nach einem unklaren Wahlergebnis? Niemand kann davon ausgehen, dass die Demokraten es akzeptieren würden, wenn Trump sich am Wahlabend zum Sieger erklärt, obwohl Millionen Briefwahlstimmen noch nicht ausgezählt sind. ... Wenn in dieser Situation bewaffnete Milizen der Rechten auf die Straßen ziehen, wird die entsprechend ausgerüstete radikale Linke nicht zu Hause bleiben. Der erste Bürgerkrieg der USA ist 155 Jahre her. Ein zweiter ist nicht mehr ausgeschlossen.“
Biden bleibt ruhig
Joe Biden war in diesem Aufeinandertreffen die Stimme der Vernunft, urteilt Politiken:
„Der demokratische Präsidentschaftskandidat ließ sich nicht ein auf die persönlichen Angriffe und verhielt sich ruhig gegenüber Trumps wiederholten Attacken auf seinen Sohn. Und in der Hitze des Gefechts gelang es ihm sogar, ein klein wenig Substanz zu liefern und auf die massive ökonomische Ungleichheit, den missachteten Klimakampf und die Rassenkonflikte, die die USA derzeit zerreißen, hinzuweisen. Aber das Wichtigste war Bidens Botschaft zum Schluss. 'Wählt, wählt, wählt', forderte er. Zumindest darauf sollten sich die US-Amerikaner einigen können.“
Mit Trump kann man nicht diskutieren
Von einer echten Debatte konnte bei diesem Duell keine Rede sein, winkt El Periódico de Catalunya ab:
„Es war einer der peinlichsten Momente der jüngeren Geschichte der USA. Es ist schwer, einen Gewinner auszumachen, denn hier waren alle US-Bürger Verlierer. Es war das Treffen eines Rowdys mit einem anständigen Menschen. Vielleicht war diese Erkenntnis der einzige Erfolg des demokratischen Kandidaten, der kaum ein Argument zu Ende ausführen konnte, ohne angegriffen zu werden. Es ist unmöglich, mit einem krankhaft unhöflichen Menschen zu debattieren, dessen Ziel es ist, die Debatte in eine Keilerei zu verwandeln. Unmöglich, mit einer Person zu reden, die einen nicht sprechen lässt und die Tatsachen verdreht, nur um zu sagen, dass sie 'super Arbeit geleistet' hat.“
Eine verbale Schlägerei
Die Wähler hatten von diesem Duell rein gar nichts, beschwert sich Vize-Chefredakteur Carlo Renda in HuffPost Italia:
„Donald Trump und Joe Biden liefern sich sofort ein feuriges, giftiges Duell, welches Moderator Chris Wallace von Fox News nur schwer über 90 Minuten lang unter Kontrolle halten kann. Die beiden Kandidaten für das Weiße Haus unterbrechen einander, reden gleichzeitig, beleidigen sich gegenseitig, mit einer Reihe von Tiefschlägen, einschließlich persönlicher Angriffe. ... Die persönliche Konfrontation verdunkelt den Inhalt völlig, ein politisch deprimierendes Spektakel, eine verbale Schlägerei. ... Das Fernsehduell fügt dem Wahlkampf nichts Neues hinzu, kaum vorstellbar, wie es Unentschlossene überzeugen soll.“