Asiatische Staaten schaffen riesige Freihandelszone

15 Staaten der Asien-Pazifik-Region haben am Sonntag das größte Handelsabkommen der Welt unterzeichnet. Die Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) umfasst rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung. Auch enge Verbündete der USA wie Australien, Japan und Südkorea beteiligen sich an dem Abkommen, das von China initiiert wurde. Die Presse überlegt, wie bahnbrechend der Vertrag wirklich ist und was Europa davon haben könnte.

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tagesschau.de (DE) /

Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards außen vor

Jetzt lässt sich begutachten, wie eine Freihandelszone unter chinesischen Vorzeichen aussieht, kommentiert tagesschau.de:

„Arbeitnehmerrechte, freie Gewerkschaften, Umweltstandards - all das bleibt außen vor. ... Ganz anders hätte das ausgesehen, wenn die Freihandelszone TPP - die transpazifische Partnerschaft - zustande gekommen wäre. Die USA wollten TPP ... ohne China, aber mit gemeinsamen Standards etwa im Bereich Umweltschutz und bei Arbeitnehmerrechten auf den Weg bringen. Doch Trump, der Protektionist und Verächter des Multilateralismus, stieg gleich zu Anfang seiner Amtszeit aus dem TPP-Prozess aus. ... Wer jetzt über den gewachsenen Einfluss Chinas jammert, kann sich bei Donald Trump bedanken. Er hat versucht, die Wirtschaftsmacht China zu beschränken - und damit genau das Gegenteil erreicht.“

Global Times (CN) /

Alle sind die Gewinner

Die Rolle Pekings beim Abschluss des Abkommens wird falsch dargestellt, findet Global Times China:

„Einige westliche Medien berichteten, dass das RCEP 'von China angeführt' wird oder China seinen Einfluss in Asien ausweiten will. Und sie beschreiben China als den größten Nutznießer des Abkommens. ... Diese Leute haben Probleme mit ihrem Wertesystem und ihrer Urteilsfähigkeit. Ihre Vorurteile gegen China sitzen so tief, dass sie verwirrt sind, wenn China an irgendetwas beteiligt ist. Sollte China hier der sogenannte Gewinner sein, so ist das eine Win-Win-Situation für alle RCEP-Mitglieder. Diese Länder haben sich in den letzten acht Verhandlungsjahren um ihre eigenen Vorteile bemüht. Es können nur alle Länder von diesem Abkommen profitieren.“

De Volkskrant (NL) /

Pragmatismus schlägt Protektionismus

Die neue asiatisch-pazifische Freihandelszone muss keine Bedrohung für Europa sein, resümiert De Volkskrant:

„Eine enorme Freihandelszone in Asien kann für europäische Unternehmen günstig sein. Die EU kann ein neues Handelsabkommen mit der RCEP schließen, so wie sie das bereits früher tat mit dem südamerikanischen Mercosur. Und die RCEP, eine Frucht des asiatischen Pragmatismus, scheint auch den Multilateralismus zu stärken, in dem die EU gedeiht. Die Symbolik der Gründung der RCEP ist nicht zu unterschätzen mitten in der weltweiten Corona-Pandemie und am Vorabend der Präsidentschaft Bidens. Mit RCEP positioniert China sich als Weltmeister im Kampf gegen den trumpistischen Protektionismus.“

Corriere del Ticino (CH) /

Nicht lupenrein, doch ein großer Fortschritt

Freihandel ist immer gut, selbst wenn nicht alles perfekt ist, findet Corriere del Ticino:

„Der Aspekt, der Zweifel aufkommen lässt, ist die Tatsache, dass China die treibende Kraft hinter dem Abkommen ist, also ein Land, das den Freihandel auf internationaler Ebene zwar unterstützt, auf innenpolitischer Ebene aber einen umfassenden politischen und wirtschaftlichen Etatismus betreibt. Außerdem wird nach Ansicht vieler Beobachter den Arbeits- und Umweltrechten in dem Abkommen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Zweifel sind berechtigt, es ist klar, dass das Abkommen im weiteren Verlauf überprüft werden muss. Aber der positive Aspekt kann nicht genug betont werden: ... Es ist ein neues großes Abkommen, das statt auf das Führen von Handelskriegen auf die Entwicklung der Handelsliberalisierung setzt.“

Lidové noviny (CZ) /

Freihandel mit chinesischem Anstrich

Keineswegs ist China plötzlich zum Freihandels-Vorreiter geworden, kontert hingegen Lidové noviny:

„Export und freier Handel bringen allen Beteiligten Vorteile. Weshalb also sollte sich nicht auch China darum verdient machen, das nach einigen Kriterien die größte Wirtschaftsmacht der Welt und eine Industriegroßmacht ist? Ganz einfach deshalb nicht, weil China dem freien Handel gar nicht zugeneigt ist. Pekings 'frei' hat 'chinesische Besonderheiten'. Sie sollen China Vorteile auf der internationalen Bühne bringen. Peking will seinen eigenen Markt keineswegs öffnen. Den Chinesen geht es vielmehr darum, dass andere Länder auf ihren Märkten chinesische Waren von zweifelhafter Qualität nicht behindern.“

The Economist (GB) /

Nicht der propagierte Meilenstein

Einen großen Freihandelsdurchbruch kann The Economist in dem Papier nicht erkennen:

„Das Abkommen entspricht einer Art Aufräumaktion, die verschiedene Freihandelsabkommen in einem übergreifenden Vertrag zusammenführt. ... Es ist weniger ambitioniert, als man es von einem Abkommen erwarten würde, zu dessen Unterzeichnern sehr reiche Länder wie Japan und Singapur, aber auch sehr arme Länder wie Laos und Myanmar gehören. Das Abkommen beseitigt einer Schätzung zufolge 90 Prozent der Zölle - aber erst über einen Zeitraum von 20 Jahren. ... Es umfasst Dienstleistungen nur lückenhaft und berührt die Landwirtschaft kaum. So wird Japan beispielsweise hohe Einfuhrzölle auf 'politisch sensible' Güter (wie Reis, Weizen, Rind- und Schweinefleisch, Milchprodukte und Zucker) beibehalten.“

La Stampa (IT) /

Europäer wollen mitmischen

Mit Sicherheit will Europa bei diesem Projekt nicht außen vor bleiben, glaubt La Stampa:

„Die Beziehungen zwischen der EU und Asien sind gut und werden, wie europäische diplomatische Quellen betonen, nicht in Frage gestellt. Eine erneute Diskussion der derzeitigen Verhandlungsbedingungen zwischen Europa und Asien ist deshalb nicht auszuschließen. Ein Zeichen der Entspannung könnte auch von Joe Bidens Amtsantritt im Weißen Haus ausgehen. Der Rahmen des größten internationalen Handelsabkommens steht. Doch nun möchte auch Europa seine Karten ausspielen.“