Sicherheitsgesetz: Regierung in Paris justiert nach
Frankreichs Regierungsparteien wollen nach Demonstrationen und Protest auch aus den eigenen Reihen Artikel 24 des neuen Sicherheitsgesetzes überarbeiten. Das teilte Christophe Castaner, Vorsitzender von "La Republique en marche", auf Twitter mit. Der Artikel sollte die Veröffentlichung von Bildern verbieten, auf denen man Polizisten klar erkennen kann. Ad acta gelegt ist für Beobachter aber noch lange nichts.
Eklatantes Missverhältnis
Die Ankündigung, den Artikel zu überarbeiten, löst das Problem nicht, meint Le Point:
„Emmanuel Macron präsentiert sich auf der internationalen Bühne als der Herold der Freiheiten. Er belehrt die muslimische Welt und die amerikanische Presse über das Recht auf Karikatur. Er behauptet, der Verfechter der Rechtsstaatlichkeit und des Geistes der Aufklärung zu sein, gegen den nationalistischen Rückschritt, den der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban verkörpert. Aber in Frankreich werden die öffentlichen Freiheiten in einem solchen Maße missachtet, dass die europäischen Ambitionen des Staatspräsidenten mit seiner innenpolitischen Haltung nicht mehr im Einklang zu stehen scheinen. ... Für den Staat von Macron wird es immer schwieriger, den Schutz der Sicherheit aller und die Achtung der Rechte aller miteinander in Einklang zu bringen.“
Franzosen wollen keinen Polizeistaat
Das französische Volk weiß seine Demokratie zu verteidigen, zeigt sich Evrensel beeindruckt:
„Namen und Gesichter von Polizisten, die sich nicht an Gesetze halten und die Bürger schikanieren, sollte man nicht verdecken, sondern erst recht entlarven. Es mag aussehen, als ginge es bei dieser Initiative nur um eine kleine, einfache Gesetzesänderung, doch tatsächlich handelt es sich hier um ein wichtiges Problem hinsichtlich der Wahl zwischen einem Polizeistaat und einem Rechtsstaat. Die Franzosen sind sich dessen bewusst. So wie sie bereits zuvor die Versuche der Macronschen Regierung, ihre Freiheiten einzuschränken, abgewehrt haben, werden sie auch diese Initiative verhindern. In Bezug auf den Schutz, die Verteidigung und die Erweiterung der eigenen Rechte und Freiheiten können wir alle etwas von den Franzosen lernen.“
Bisherige Gesetze genügen
Die Regierung wäre gut beraten, die Fixierung auf Artikel 24 aufzugeben, rät La Croix:
„Es gibt genügend schwierige Themen, als dass man seine Energie in letztlich inhaltslosen Streitereien verlieren sollte. Nach Meinung von Laurence Vichnievsky, Abgeordnete [der Zentrumspartei] MoDem und Ex-Richterin, reicht die derzeitige Gesetzeslage bei Weitem aus, um das von diesem Artikel verfolgte Ziel zu erreichen. Es wäre besser, daran zu arbeiten, die Vertrauensbeziehung zwischen Polizei und Bevölkerung wiederherzustellen und die Corona-Pandemie sowie ihre verheerenden sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen anzugehen.“
Macron hat Sicherheit zu stark vernachlässigt
Ganz anders sieht die Dinge Le Figaro:
„Es ist wünschenswert, dass der Staatschef daran festhält, im Bereich der Hoheitsrechte entschlossen zu agieren. Das ist der Schwachpunkt seiner Präsidentschaft – und das, wo die Terrorbedrohung extrem ist, die Kriminalität zunimmt, im Land vielerlei Wut herrscht und die Autorität des Staats oft beschädigt wird. Selbst ohne Artikel 24 ist das Gesetz zur globalen Sicherheit notwendig, um die Aufgaben aller für die Sicherheit wichtigen Akteure, staatlicher wie privater, zu präzisieren. In Kürze wird die Gesetzesvorlage zum Separatismus erwartet, die Grundlage für den Kampf gegen den radikalen Islamismus sein soll. Die Regierung darf keine zitternde Hand haben.“
Orwell lässt grüßen
Das gesamte Gesetz zeugt von Methoden eines Überwachungsstaats, prangert Il Manifesto an:
„Castaner spricht von Unverständnis, aber die Demonstrationen und Proteste von Journalisten, Anwälten, NGOs und Tausenden von Bürgern, sowie die Bedenken, die sogar von der Uno und der EU geäußert wurden, fordern schlicht und ergreifend die Rücknahme. Nicht nur von Artikel 24, sondern auch von anderen Teilen des - ganz orwellsche Bezeichnung – Gesetzes zur 'globalen Sicherheit'. So etwa von Artikel 21 und 22, die laut vieler Gegner die Weichen für eine 'Massenüberwachung' stellen, durch den Einsatz von Drohnen während Demonstrationen - Auftakt zur 'Gesichtserkennung'.“
Doppelmoral wäre fatal
Macron muss nun konsequent bleiben, meint Népszava:
„Dank des teilweise harten Einsatzes der Polizei unter anderem gegen Terrorverdächtige ist der Zuspruch der Gesellschaft für Emmanuel Macron in den letzten Monaten gewachsen. Jetzt hat er keine andere Wahl, als auch gegenüber den rassistischen und gewalttätigen Sicherheitskräften eine entschlossene Haltung zu zeigen. Sonst kann ihm Doppelmoral vorgeworfen werden. … Macron darf nicht den gleichen Fehler machen wie Nicolas Sarkozy, der als ein Mann des Gesetzes handelte, was zu einem Rechtsruck in der Gesellschaft führte. Wenn Macron sich allein darauf konzentriert, bis zur Wahl 2022 den Rechtspopulisten das Wasser abzugraben, kann er seine Glaubwürdigkeit verlieren.“