Privilegien für Geimpfte?
Langsam steigt die Zahl der gegen das Coronavirus geimpften Menschen. Sollen diese Personen dank Impfpässen bald wieder in ein normaleres Leben zurückkehren können, wie es beispielsweise Dänemark plant - vielleicht sogar, bevor andere Bevölkerungsgruppen überhaupt die Chance auf eine Impfung hatten? Für die europäische Presse geht Solidarität hier mehrheitlich über individuelle Freiheit.
Vorteile überwiegen
Die dänische Regierung will noch im Frühjahr einen digitalen Corona-Pass einführen. Jyllands-Posten hält das prinzipiell für richtig:
„Aus liberaler Sicht ist die Einführung eines Corona-Passes, der Testergebnisse und eventuelle Impfungen eines Individuums dokumentiert, nicht unproblematisch. In Dänemark gibt es keine Impfpflicht, jeder kann selbst entscheiden, ob er sich impfen lassen möchte - auch wenn man ein Nein zur Impfung für unsolidarisch halten kann. ... Auch wenn nun auf das Individuum Druck ausgeübt wird, sich impfen zu lassen, überwiegen für die Gesellschaft eindeutig die Vorteile. Und genauso wie der Einzelne die freie Wahl hat, sich impfen zu lassen oder nicht, ist es die freie Wahl der einzelnen Fluggesellschaft, des Konzertarrangeurs oder Restaurants, an jene, die man einlässt, Forderungen zu stellen.“
Freiheit nicht nur für 80-Jährige
Impfpässe für Einzelne wären gegenüber Jüngeren unfair, meint The Daily Telegraph:
„Stellen Sie sich vor, wir würden morgen mit der Ausstellung von Impfpässen beginnen und Menschen drei Wochen nach Erhalt ihrer ersten Dosis mehr Freiheiten gewähren. Wir hätten plötzlich ein Land der befreiten 80-Jährigen, während junge Menschen, denen von Covid ohnehin kaum ernsthafte Gefahr droht, weiterhin im Lockdown verbleiben müssten. ... Der einzige wirkliche Weg, dies zu umgehen, besteht darin, Großbritannien als eine Einheit zu sehen, die sich als Ganzes für einen Impfpass qualifiziert, sobald ein bestimmter Teil der Bevölkerung geimpft ist.“
Solidarität nicht gefährden
Auch Der Tagesspiegel spricht sich gegen Privilegien für Geimpfte aus:
„Es gilt, eine immens kräftezehrende Durststrecke durchzustehen. Sie lässt sich nur gemeinsam bewältigen, mit einheitlichen Lockdowns und Lockerungen, mit Solidarität zwischen Jungen und Alten, Homeoffice-Angestellten und Busfahrerinnen, Geimpften und Nicht-Geimpften. Auch wenn das nicht immer hundertprozentig gerecht ist. Es ist ja auch nicht gerecht, dass Raucher den gleichen Krankenkassenbeitrag wie Nichtraucher zahlen. Trotzdem rüttelt niemand ernsthaft an solchen Grundprinzipien des deutschen Gesundheitswesens.“
Neue Herausforderungen für eine alte Idee
Der Nordamerika-Korrespondent von Ukrinform, Maksym Nalyvaiko, sieht bei der Einführung von Corona-Impfpässen ein anderes Problem:
„Ein solcher 'Ausweis' könnte möglicherweise seinem Besitzer die Möglichkeit geben, zu reisen, an Massenveranstaltungen teilzunehmen und in der Regel zu einem Leben, wie wir es vor der Pandemie hatten, zurückzukehren. Obwohl die Idee selbst nicht neu ist (ähnliche Dokumente gab es während der globalen Bekämpfung von Polio und anderen Krankheiten), können moderne Technologien und gewisse Anforderungen zum Schutz personenbezogener Daten ein Problem darstellen.“