Türkei und Nordirak: Reagiert der Westen zu zögerlich?
Im Zuge einer türkischen Offensive gegen die kurdische PKK im Nordirak hat das Militär die Leichen von 13 türkischen Gefangenen der PKK geborgen. Laut Ankara seien diese "exekutiert" worden, laut PKK kamen sie bei türkischen Bombardements um. Präsident Erdoğan rügte die zurückhaltende Reaktion der Nato-Staaten und forderte deren bedingungslose Solidarität ein, wenn sie nicht als Terror-Unterstützer dastehen wollten.
Partner müssen jetzt Farbe bekennen
Westliche Staaten lassen sich gezielt mit Terrororganisationen ein, wenn dies ihren Interessen nützt, kommentiert Habertürk:
„Die USA, Israel und andere 'westliche Verbündete' benutzen radikale Terrororganisationen wie die PKK/YPG [kurdische Miliz], den IS und die FETÖ, um der Türkei mittels asymmetrischer Kriegsführung ihre eigenen politischen Interessen aufzudrücken. Präsident Erdoğan hat gestern aus diesem Grund laut und deutlich an die USA appelliert, sie mögen sich entscheiden, auf wessen Seite sie stehen. Zwischen Staaten werden heutzutage nicht mehr wie früher direkte Kriege, sondern 'Stellvertreterkriege' geführt. Das Vorgehen gegenüber der Türkei mittels Terrororganisationen ist ein solcher Stellvertreterkrieg.“
Das könnte Ankara noch bereuen
Erdoğans Härte gegenüber den Kurden und ihren Fürsprechern ist unüberlegt, analysiert Pierre Haski in France Inter:
„Die Türkei macht den Tod der 13 Gefangenen zu einem Casus Belli, natürlich gegen die PKK, aber auch gegen all die, die sich dieser gegenüber nachsichtig zeigen. Erdoğan hat [am Montag] mehrere Hundert Führungskräfte der im Parlament vertretenen Kurdenpartei HDP inhaftieren lassen, der vorgeworfen wird, der politische Arm der PKK zu sein. ... Er scheint zudem entschlossen, die neue US-Administration mit dem Rücken an die Wand zu stellen, was sich jedoch als nachteilig für ihn selbst auswirken könnte. ... Erdoğan könnte es bereuen, wenn er diese Kurdenkrise zu einer Stunde der Wahrheit für die Beziehungen der Türkei zu ihren Nato-Partnern macht.“
USA sollten Moskauer Profis zum Vorbild nehmen
Beim Umgang mit der Türkei braucht es Fingerspitzengefühl, erklärt Ria Nowosti den Amerikanern:
„Was sollen die USA denn tun, wenn Strenge gegenüber der Türkei nicht funktioniert und es auf die nette Tour auch nicht klappt? Einen Ausweg demonstriert Russland, das mit den Türken ein nicht minder verworrenes Beziehungsknäuel verbindet - mit vielen gemeinsamen Interessen und nicht weniger Widersprüchen. Dieser Ansatz erfordert eine akkurate, stille und geschickte Arbeit von Profis, die Verständnis für die Spezifik der Region haben und jedes Mal aufs Neue Wege finden, den nächsten Knoten aus Differenzen zwischen den Ländern zu entwirren, ohne dass es zur Eskalation kommt. Erst vor Kurzem wurde das am Beispiel Berg-Karabachs demonstriert.“
Befreiung wohl nur zweitwichtigstes Ziel
Yetkin Report glaubt, dass die Tötung womöglich hätte vermieden werden können:
„War die eigentliche Intention hinter der Offensive mit dem Codenamen 'Adlerkralle 2', die Geiseln, oder das Gebiet um Gara von der PKK zu befreien? ... Es ist offensichtlich, dass die eigentliche Absicht der Operation darin lag, Gara, einem wichtigen Einfallstor der PKK in die Türkei, einen Hieb zu versetzen. Deswegen liefen auch bereits lange militärische und diplomatische Vorbereitungen, während derer die Information eintraf, dass auch die Geiseln sich dort befinden, woraufhin die Offensive eine doppelte Zielsetzung bekam. Hätte die Operation abgesagt werden können, um das Leben der türkischen Staatsbürger in den Händen der PKK nicht zu gefährden? Das ist vielleicht die kritischste Frage von allen.“