Drakonische Strafen für türkische Putschisten
Vier Jahre nach dem Putschversuch in der Türkei sind in Ankara 337 Menschen wegen Verfassungsbruchs, Totschlags und versuchten Präsidentenmordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden, manche davon zu 79-mal lebenslänglich. Am 15. Juli 2016 hatten Militärs versucht, gegen die türkische Regierung zu putschen. Diese sieht eine "Fethullahistische Terrororganisation" (Fetö) unter dem Prediger Fethullah Gülen dahinter.
Eine Genugtuung für alle Türken
Die Putschisten bekommen ihre gerechte Strafe, urteilt die regierungsnahe Tageszeitung Hürriyet:
„Das Urteil in diesen Verfahren bedeutet nicht nur das Ende ihrer Lügen, sondern auch das Ende des Traums, den der Fetö-Anführer vor 30 Jahren so ausdrückte: 'Wenn wir in 20 bis 30 Jahren aufmarschieren, dann wird ohnehin niemand mehr etwas tun können'. Das türkische Volk hat diese Träume zerschmettert. Es wird weder den 15. Juli vergessen, noch unsere Märtyrer und Veteranen, noch den Verrat der Fetö-Anhänger und auch nicht die Tatsache, dass die USA aller Beweise zum Trotz den [in Pennsylvania lebenden] Fetö-Anführer Gülen weiter schützen.“
Machtdemonstration eines Schwächelnden
La Vanguardia sieht eine Verbindung zwischen den harten Gefängnisstrafen und Erdoğans sinkender Popularität:
„In diesem Prozess sollten von Anfang an nicht nur die Putschisten bestraft werden. Er diente auch der Machtdemonstration und als Warnung. ... Erdoğans erste Jahre an der Macht waren mit einem jährlichen Wachstum von 4,5 Prozent gut für die türkische Wirtschaft. Seine Unterstützung in der Bevölkerung nahm zu, besonders in den konservativeren, ländlichen Gebieten. Doch in den letzten fünf Jahren hat dieser Wohlstand nachgelassen. Und sein außenpolitisches Handeln - die türkische Beteiligung an den Konflikten in Syrien, Libyen oder Bergkarabach, die Gasförderung vor der Küste Zyperns - hat zu Ärger mit den regionalen Nachbarn und der EU geführt. ... Erdoğan spannt das Seil weiter an.“
Nach dem Putsch begann der Niedergang
Dem Türkei-Korrespondenten der taz, Jürgen Gottschlich, war von vornherein klar, dass es in diesen Verfahren keine Gnade geben konnte:
„Mit einer unabhängigen Justiz hatten diese auch nichts zu tun, vielfach fanden sich in den Putschprozessen kaum Anwälte, die die Verteidigung der Angeklagten übernehmen wollten. ... Zynisch könnte man sagen, die Putschisten von 2016 haben Erdoğan eine Steilvorlage geliefert, die dieser zur Etablierung absoluter Macht genutzt hat. Das Land taumelt seitdem von einer Krise in die nächste. ... Wirtschaftlich befindet die Türkei sich in einem für viele Menschen existenzbedrohenden Niedergang und außenpolitisch hat Erdoğan das Land völlig isoliert. Das ist das eigentliche, bittere Ergebnis dieses gescheiterten Putschversuchs.“