Kommt Puigdemont nun vor Gericht?
Das EU-Parlament hat die Immunität von Carles Puigdemont und zwei weiteren katalanischen Europaabgeordneten aufgehoben. Nun droht ihnen die Auslieferung nach Spanien und ein Prozess wegen Aufruhrs und Veruntreuung von Steuergeld. Die belgische Justiz hatte eine Auslieferung bisher verweigert. Die Presse sieht unterschiedliche Szenarien, wie die Geschichte nun weitergehen könnte und sollte.
Das Problem politisch lösen
Um der Justiz das Problem des katalanischen Separatismus wieder zu entreißen, sollte der spanische Premier jetzt schlichtend eingreifen, findet El Periódico de Catalunya:
„Es liegt in den Händen der Politik, endlich ein neues Szenario zu entwerfen und die Spannungen zu entschärfen, die durch die Entscheidungen der Justiz unweigerlich entstehen, selbst wenn diese nur ihre Arbeit tut. Der gestrige Tag hat gezeigt, dass es immer dringlicher wird, die gegenseitigen Blockaden der Parteien zu überwinden, und dass Pedro Sánchez die Initiative ergreifen muss - sei es durch Begnadigungen oder durch sinnvolle Gesetzesänderungen, um die Zukunft allein und ausschließlich auf politischer Ebene anzugehen.“
Eine verpasste Gelegenheit
De Standaard erinnert an den politischen Schaden infolge des Unabhängigkeitskampfes:
„Das europäische Parlament hat erneut eine Chance verpasst, ein Signal nach Madrid zu schicken. Die Unfähigkeit Spaniens, die Nationalitätenfrage friedlich zu lösen, trifft Europa mitten ins Herz. Das ist längst keine innere Angelegenheit mehr. ... Die Separatisten haben ihre Region ins Chaos gestürzt. ... Ihr Gefolge ist stabil, aber sie konnten nie genug demokratische Unterstützung für die Sezession nachweisen. Ihre gewagte Strategie hat die schlimmsten Kräfte der spanischen Geschichte in Form der rechtsextremen, nationalistischen Vox wieder zum Leben erweckt. Die fragmentierte spanische Politik scheint keinen Ausweg zu finden. ... Rechtlich haben Puigdemont und die anderen Geflohenen noch Optionen. ... Aber der Symbolwert dieser Abstimmung wird das europäische Parlament noch lange verfolgen.“
Peinliches, parteiisches Belgien
El Mundo ärgert sich über die belgische Justiz:
„Es ist noch nicht klar, ob der katalanische Ex-Ministerpräsident und zwei seiner mit ihm 2017 vor der Justiz geflüchteten Landesminister auf der Anklagebank landen werden. Denn niemand kann ignorieren, dass unserem Land die offensichtliche Illoyalität der belgischen Justiz gegenübersteht, die in unheilvoller und für die gesamte EU peinlicher Weise bereits viel zu oft als Garant der Straflosigkeit mutmaßlicher Straftäter agiert hat, die unsere verfassungsrechtliche Ordnung untergraben.“
EU macht sich selbst zum Feindbild
Das Europäische Parlament kann sich bei dem Konflikt nun nicht länger die Hände in Unschuld waschen, kommentiert die Madrid-Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung, Karin Janker:
„Das Parlament wollte sich aus einem Konflikt heraushalten - und landete prompt mittendrin. ... Das katalanische Unabhängigkeitsstreben ist ein innerspanischer Konflikt, der nur im Land und nur durch Dialog zu lösen ist. Dennoch hat er längst Strahlkraft über die spanischen Grenzen hinaus entwickelt. ... Katalonien [bietet sich] als Projektionsfläche für viele an, die sich selbst zu den Unterdrückten zählen. Es ist die alte Geschichte von Klein gegen Groß - und das EU-Parlament hat sich gerade in die Rolle des ungeliebten Großen katapultiert.“