Ruanda-Bericht: Welche Lehren zieht Frankreich?
Nach zwei Jahren haben Historiker Emmanuel Macron den von ihm beauftragten Bericht zu Frankreichs Rolle beim Völkermord in Ruanda übergeben. Sie werfen Frankreich eine politische Mitverantwortung vor und sprechen von "Blindheit" und "Versagen". Eine Mittäterschaft bei den Tötungen lasse sich dagegen nicht nachweisen. Für Kommentatoren kann der Bericht nur ein Anfang sein.
Wichtiger Schritt Richtung Wahrheit
Jetzt ist Klartext vom französischen Präsidenten nötig, drängt Le Monde:
„Es ist nun Emmanuel Macrons Aufgabe, den furchtbaren Befund des Berichts in politische Worte zu übersetzen. Und es ist eventuell die Aufgabe von Richtern, in den laufenden Verfahren Schlussfolgerungen zu ziehen. Frankreich rühmt sich jedes Mal, wenn es dunkle Momente seiner Geschichte aufklärt. Die angesichts des bevorstehenden 27. Jahrestags des Genozids mit großer Spannung erwartete französische Wahrheitsrede zu Ruanda und die geplante Reise Macrons in das Land böten die Chance für einen Neustart der Beziehungen zwischen Kigali und Paris und ein Signal an ganz Afrika. Die Überlebenden des Völkermords und die Familien der Opfer haben ein Recht darauf. Die Franzosen ebenso, denn weder Frieden noch die Reputation eines Landes gedeihen auf Lügen.“
Flüchtige Mörder werden immer noch geschützt
Noch nie wurde die mörderische Verwicklung Frankreichs in den Völkermord so schonungslos dokumentiert, bemerkt die taz:
„Frankreich stellte nicht nur Waffen und Berater, es hatte Augen und Ohren überall. Frankreichs Diplomaten und Offiziere wussten, was vorging, auch und gerade all die Jahre vorher. Sie hätten rechtzeitig reagieren können ... . Dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sich jetzt in die Pose des unerschrockenen Aufklärers wirft, war nicht anders zu erwarten, ebenso, dass Kritiker der französischen Afrikapolitik den Bericht als ungenügend bezeichnen. Aber diese Reaktionen genügen nicht. Nach wie vor gewährt Frankreich flüchtigen Völkermordtätern Schutz. Nach wie vor pflegen Frankreich und Ruanda getrennte historische Gedächtnisse und sprechen nicht miteinander. Und die Frage 'Wie war es möglich?' – die werden die Überlebenden voraussichtlich mit ins Grab nehmen.“
Die Mittäter bleiben ungenannt
Frankreichs damalige Regierung kommt in der Untersuchung viel zu gut weg, empört sich La Libre Belgique:
„Die Parlamentskommission von 1998 hat enthüllt, dass Frankreich den in den Völkermord - in Hinrichtungen durch Granaten und Macheten - verwickelten ruandischen Militärs Waffen hat zukommen lassen, noch nachdem dieser begonnen hatte. Doch 'es gab keine Mittäterschaft beim Genozid'. Aus den Arbeiten [der Wissenschaftler] Jacques Morel und François Graner weiß man, dass der Élysée-Palast mehrere Male vor der Gefahr eines Genozids gewarnt wurde und dass Präsident Mitterrand dies jedes Mal übergangen hat. Doch 'es gab keine Mittäterschaft beim Genozid'. François Mitterrand hat vorrangig nicht die bedrohten Tutsi aus dem Land gerettet, sondern die Witwe seines ruandischen Amtskollegen, die in den Genozid verwickelt war. Doch 'es gab keine Mittäterschaft beim Genozid'. Wirklich nicht?“