Frankreich und Algerien: Chance zur Verständigung?
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den von ihm beauftragten Bericht des Historikers Benjamin Stora vorgelegt bekommen. Er enthält Vorschläge zur Befriedung der Beziehungen zwischen der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und Algerien, die 60 Jahre nach dem Unabhängigkeitskrieg weiterhin angespannt sind. Medien aus beiden Ländern sehen einen wichtigen Impuls, den es nun zu nutzen gilt.
Ausgeklügelter Leitfaden
Macron sollte den Bericht genau lesen, rät Le Monde:
„Der Text ist vorsichtig, denn er rückt die ausweglose Frage der 'Reue' zur Seite, um sich auf das 'Anerkennen' präziser Ereignisse zu fokussieren. … Und er ist ehrgeizig, denn er schlägt vor, Algerien Archive zurückzugeben, die Ermordung von Europäern im Juli 1962 in Oran aufzuklären, die Kriegsverschollenen auf beiden Seiten systematisch zu identifizieren und mit den Algeriern gemeinsam die Kontamination durch Nuklearversuche aufzudecken, die Frankreich bis 1966 in der Sahara durchgeführt hat. Die zentrale Empfehlung ist die Einrichtung einer 'Wahrheits- und Erinnerungs-Kommission' aus Vertretern der Politik und der Zivilgesellschaft beider Länder, welche gemeinsame Gedenkinitiativen anstoßen soll. Der Präsident muss alles daran setzen, um den Impuls aufzunehmen und umzusetzen.“
Algerien sollte sich an die eigene Nase fassen
Auch die Algerier sollten ihre Haltung in Bezug auf die Vergangenheit überdenken, fordert Liberté, mit Sitz in Algier:
„Jenseits der 'praktischen' Vorschläge, um dieses Erinnerungsproblem zu beheben, darf man die Notwendigkeit nicht aus den Augen verlieren, vor seiner eigenen Tür zu kehren. … Und wir sollten der für gewöhnlich kommerziellen Nutzung der Geschichte ein Ende setzen, die oft dem Missbrauch von Schwächen gleichkommt, der irreführende patriotische Argumente benutzt. … In Erwartung einer Versachlichung dieser turbulenten Beziehungen kann man nunmehr auf einen Lichtblick in Richtung echter Befriedung hoffen.“