Türkei: Marmarameer kurz vor dem Kollaps
Das Marmarameer wird seit Wochen von Schichten aus Algenschleim bedeckt, der auf Englisch "Meeresrotze" und auf Türkisch "Meeresspeichel" genannt wird. Aus der Luft sieht man gigantische weiße Teppiche auf dem Wasser. Naturschützer, Fischer und Politiker sind alarmiert. Türkische Medien beklagen die ursächlichen Missstände und davon unbekümmerte Regierungspläne.
Fahrlässige Vergiftung
Das gesamte Ökosystem ist bedroht, warnt Milliyet:
„Kraken, Algen, Seegraswiesen bleiben unter dieser schleimigen Schicht. Pflanzen können keine Fotosynthese mehr betreiben. Der Sauerstoffgehalt im Wasser ist fast aufgebraucht, an manchen Stellen sogar vollständig. Die Fische ersticken. ... Die Gründe, warum das Marmarameer mit dem Tod ringt, sind folgende: 1. Der Klimawandel und der Temperaturanstieg. 2. Die von Menschen verursachte Verschmutzung. 50 Prozent der türkischen Industrie sind in der Marmararegion angesiedelt. ... In der Regel betreiben sie keine Kläranlagen. Schmutz und Gift werden seit 10 Jahren mit der beschämenden Praxis namens 'Entladung ins tiefe Wasser' ins Marmarameer geleitet. ... Wenn der Staat zu spät handelt, wird dieser 'Speichel' sehr bald in den Süden fließen, in die Ägäis und das Mittelmeer.“
Istanbul-Kanal nochmal überdenken
Präsident Erdoğan will trotz allem ab Ende Juni einen Kanal zwischen Marmarameer und Schwarzmeer bauen, bedauert Habertürk:
„Viele Menschen, die jetzt den Meeresspeichel sehen, befürchten, dass der Istanbul-Kanal in Zukunft eine noch viel größere Naturkatastrophe verursachen könnte. Abgesehen von den Beschwerdeführern vermeiden die meisten Wissenschaftler, die die Umweltverträglichkeitsprüfung des Projektes unterzeichnet haben, den Kanal in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Wenn in so einer Atmosphäre auf dem Projekt beharrt wird, ohne wissenschaftliche Aussagen über die Auswirkungen auf die Natur zu machen, kann sich sogar die AKP-Parteibasis gegen den Kanal Istanbul wenden. ... Das Marmarameer, das wir unseren Kindern vererben werden, sollte nicht zum Opfer politischer Konfrontation werden.“