Schweiz stimmt ab: Soll CO2-Ausstoß ins Geld gehen?

Am Sonntag stimmen die Schweizer über ein CO2-Gesetz ab. Geplant sind finanzielle Anreize für Klimaschoner und Investitionen, Flugtickets, Heizöl und Sprit sollen teurer werden. Doch wollten Ende April noch 60 Prozent für die Vorlage stimmen, ist die Zustimmung mittlerweile auf 54 Prozent gesunken. Nicht nur das erfüllt Beobachter mit Sorge.

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Le Temps (CH) /

Verursacherprinzip rettet Klima nicht

Die geplanten Regelungen gehen nicht weit genug, klagt Le Temps:

„Absolut notwendig, aber ebenso absolut unzureichend: Das Gesetz lässt einen verwirrt zurück. Das spätestens seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts belegte Prinzip des Bestrafens von Verschmutzern war eine Zäsur im Kampf für den Umweltschutz. Anstatt schädliche Aktivitäten zu verbieten, werden nun Ordnungsgelder verhängt. 'Es geht nicht mehr darum, die öffentliche Gesundheit zu schützen, sondern die Industrie', konstatieren François Jarrige und Thomas Le Roux 2017 in ihrem Buch La Contamination du monde [Die Verseuchung der Welt]. Es überrascht nicht, dass durch eine Kommerzialisierung der Natur ein Anstieg der Emissionen nicht verhindert wird. Die lächerlichen Strafgebühren werden die Schweizer Autoimporteure nicht jucken, wenn es darum geht, ganze Divisionen von Panzern abzusetzen, die heute SUVs heißen.“

NZZ am Sonntag (CH) /

Belohnung statt Bestrafung

Der Ansatz des Gesetzes ist genau der richtige, argumentiert die NZZ am Sonntag:

„Die Vorlage ... setzt auf eine Lenkungsabgabe: die Lösung, von der man seit Jahrzehnten weiss, dass sie ökonomisch die beste ist, weil sie nicht einfach Verhalten verbietet, sondern verursachergerecht ist und umweltfreundliches Handeln belohnt. ... Man kann jetzt mäkeln, es sei unschön, dass nicht alle Einnahmen an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückverteilt werden. Oder man kann auf der anderen Seite des Politspektrums weiter von einem sofortigen Netto-Null-Ziel träumen oder an Klimademos mitlaufen, ohne dass dies irgendetwas kostet. Aber Tatsache ist: Wenn wir jetzt auf abstrakten politischen Idealvorstellungen beharren und nicht Ja stimmen, ist die Klimadiskussion nichts als leeres Geschwätz.“

Heidi.news (CH) /

Internationale Versprechen halten

Die Schweiz hinkt klimapolitisch derart hinterher, dass die Annahme des Gesetzes zur Pflicht geworden ist, drängt Politologin Karin Ingold in Heidi.news:

„Während die EU und Deutschland über einen Ausbau ihrer Klimaziele diskutieren - Richtung 65 Prozent-Reduzierung oder gar Richtung Netto-Null-Emissionen -, scheitert die Schweiz daran, schnell und effizient ein CO2-Gesetz einzuführen, das auf eine Verringerung der Emissionen um 50 Prozent abzielt. Die Schweiz hat sich für das Pariser Klimaabkommen engagiert und es unterzeichnet. Das aktuelle CO2-Gesetz und der Gesetzentwurf, über den wir nun abstimmen, sind unerlässlich, wenn wir unsere internationalen Versprechen halten und unsere Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen.“