Zwischenfall vor Krim-Küste: Wer provoziert hier wen?
Ein Vorfall im Schwarzen Meer wird von Russland und Großbritannien unterschiedlich dargestellt: Das russische Militär hat nach eigenen Angaben ein britisches Kriegsschiff vor der Küste der Krim mit Warnschüssen gestoppt. Das wies das britische Militär zurück: Es seien keine Schüsse auf das Schiff abgefeuert worden und die Königliche Marine habe sich auf „einer harmlosen Durchfahrt durch ukrainische Gewässer“ befunden.
Respekt, liebe Briten!
Polityka findet die Aktion famos:
„Großbritannien hat gezeigt, dass es 'vollendete Tatsachen', die gegen internationales Recht verstoßen, nicht anerkennt und aus einer Machtposition heraus einen gezielten Dialog mit Russland führen kann. Es besteht kein Zweifel, dass die Royal Navy eines ihrer stärksten Kriegsschiffe geschickt hat und sich verteidigen könnte, würde Russland wirklich Waffen einzusetzen. Wir sollten nicht nur diesen mutigen Akt strategischer Kommunikation würdigen, sondern auch die Gelassenheit der Besatzung, die sich nicht von den russischen Schiffen und Flugzeugen hat provozieren lassen.“
Provokante Nadelstiche
Ria Nowosti sieht den Vorfall als eindeutige Provokation:
„Großbritannien und die Nato wollen Russland daran erinnern, dass sie die Krim nicht als russisch anerkennen? Darüber wissen wir Bescheid. Aber die Russen an ihren Grenzen herauszufordern (und noch dazu fast genau am 80. Jahrestag des Kriegsbeginns), ist eine dumme Idee. Eine ebensolche ist das Manöver Sea Breeze, das die Nato nächste Woche im Schwarzen Meer vor der ukrainischen Küste beginnt. ... Die Provokation hat ein anderes Ziel: uns in Anspannung zu halten und zu demonstrieren, dass man nicht vorhat, den Druck zurückzunehmen. Das Gleiche machen die Atlantiker im Pazifikraum - mit China.“
Russen fühlen sich umzingelt
BBC News nimmt die russische Perspektive noch genauer unter die Lupe:
„Es ist wichtig zu bedenken, dass Russland die gesamte Ukraine, das Schwarze Meer und die Halbinsel Krim als sein 'nahes Ausland' betrachtet - seinen Hinterhof. ... Noch vor 30 Jahren war Russland Herz eines riesigen Imperiums, der Sowjetunion. Wenn man die Verbündeten des Warschauer Paktes dazu nimmt, erstreckte sich dieses Imperium von den Grenzen Deutschlands bis nach Afghanistan und darüber hinaus. Heute sind viele dieser ehemaligen Territorien und verbündeten Staaten, wie Polen und die baltischen Staaten, der Nato beigetreten. Russland fühlt sich also umzingelt, und das macht es gefährlich.“
Voll gemeine Ignoranz
Mit einer Prise Humor blickt Echo Moskwy auf die Lage:
„Schwer zu sagen, wann wir das letzte Mal auf einen solch ernsthaften Gegner geschossen haben. Und noch schwerer zu sagen, wann zuletzt der angeblich Beschossene behauptete, dass er nichts bemerkt hat! Wir haben ihm unsere ganze Macht gezeigt. Und diese Angelsachsen? Sagen grinsend, ja, die Russen haben da wohl herumgeballert, aber nicht auf uns gezielt, und überhaupt sind diese Russenjungs freundliche und kultivierte Leute. Es scheint, als hätte der Gegner nicht nur keine Angst vor uns, sondern trollte er uns auch noch. Das ist unanständig, wenn nicht gar gemein.“
Meer der Begierde
Wie wichtig das Schwarze Meer für Russland ist, erklärt La Repubblica:
„Seit Jahrhunderten ist das Schwarze Meer für Moskau von strategischer Bedeutung, seit Zarin Katharina die Große die Krim 1783 erstmals annektierte. Hier kann Russland seine Macht und seinen Einfluss ausdehnen in Richtung der 'warmen Häfen' des Mittelmeers (ganzjährig erreichbar ...). Es ist Objekt der Begierde seit der Zeit Peters des Großen. Hier kann Russland den Handel mit den europäischen Märkten sowie den Transit von Gas und Öl schützen und hier hat es eine Pufferzone, um feindliche Angriffe auf sein Territorium zu verhindern.“