Was tun gegen die Macht von Facebook?
Für den Tech-Giganten Facebook sieht es derzeit nicht gut aus: Am Montagabend blieben mehrere Dienste des Konzerns wegen einer Störung stundenlang offline, auch Instagram und Whatsapp waren betroffen. Am Dienstag erhob die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen vor dem US-Kongress schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen. Für Europas Medien Anlass, über eine Regulierung der sozialen Netzwerke zu diskutieren.
Regulieren wie andere Industrien
Der Konzern hat einfach zu viel Macht, findet Irish Examiner:
„Wir sollten begreifen, dass es die schlechteste aller möglichen Optionen ist, einem habgierigen Unternehmen zu erlauben, wichtige Infrastrukturen zu errichten und zu besitzen, ohne dafür Rechenschaft ablegen zu müssen. Wenn die Facebook-Führung soziale Medien mit Autos vergleichen möchte [sie seien nicht ganz ungefährlich, der Nutzen überwiege aber, erklärte Instagram-Chef Adam Mosserie] dann sollte diese gefährliche Technologie auch der gleichen strengen Regulierung und unabhängigen Aufsicht unterstellt sein, wie die Automobilindustrie es ist. Andernfalls müssen wir als Öffentlichkeit Facebook daran erinnern, dass es nicht zu spät ist, diesem fehlgeschlagenen sozialen Experiment den Rücken zu kehren.“
Journalistische Standards für Social Media
Für die sozialen Netzwerke müssen die gleichen Regeln gelten wie für traditionelle Medien, fordert 24 Chasa:
„Sie müssen Informationen prüfen und für die Richtigkeit der Inhalte verantwortlich sein. Die betroffenen Seiten müssen das Recht haben, sich gegen unwahre oder verunglimpfende Informationen vor Gericht zu verteidigen. Bis vor kurzem behaupteten die sozialen Medien, dass sie bloß Plattformen sind, in denen Menschen schreiben können, was sie wollen, ohne dass etwas davon redigiert wird. Wie man sieht, stimmt das nicht ganz, zumal künstliche Intelligenz die Posts ordnet und entscheidet, welche populär werden und welche nicht.“
Ein unmoralisches Netzwerk
Die Zeugenaussagen der Whistleblowerin Frances Haugen vor dem US-Senat sind eine Abrechnung, die Facebook-Nutzern endlich die Augen öffnen sollte, hofft The Independent:
„Wir haben schon lange die schädlichen Auswirkungen von Facebook auf unsere Gesellschaft, Demokratie, auf unsere Kinder und unsere Gesundheit gespürt. Nun haben wir jemanden aus dem Inneren, der in einem beispiellosen Schritt und mit tausenden Dokumenten den 'moralischen Bankrott' Facebooks offenlegt. Es zeichnet sich ein vernichtendes Bild ab: Facebook weiß genau, wie destruktiv seine Produkte sind und tut nicht alles, was möglich wäre, um das zu ändern. Diese neuen Vorwürfe zeigen, dass Facebooks Führungskräfte immer und immer wieder maximalen Profit über das Gemeinwohl stellen.“
Wie Erdöl und Zigaretten
El Periódico de Catalunya fordert staatliche Regulierung:
„Das Unternehmen war sich des Schadens bewusst, den es der Demokratie und der psychischen Gesundheit Jugendlicher zufügt – und hat das absichtlich verschwiegen. Das bedeutet, dass wir nicht mehr über die legitimen kommerziellen Interessen eines Unternehmens sprechen, sondern über ein öffentliches Problem. Inwieweit, so könnte man sich fragen, wiederholen Technologieunternehmen die Haltung der fossilen Brennstoffindustrie zum Klimawandel oder der Tabakindustrie zu den Folgen des Rauchens? ... Wenn die wirtschaftliche Logik die Interessen des Unternehmens in eine Richtung treibt, müssen die Behörden Regulierungs- oder Jugendschutzmaßnahmen in Betracht ziehen, die auf keinen Fall die Meinungsfreiheit in Frage stellen.“
An Peinlichkeit kaum zu überbieten
Die Panne kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, meint die Neue Zürcher Zeitung:
„Schliesslich hatte die Whistleblowerin und Ex-Mitarbeiterin Frances Haugen am Wochenende in einem Fernsehinterview schwere Vorwürfe gegen das Unternehmen erhoben: Facebook stelle Wachstum und Profite über die Sicherheit von Nutzern und Gesellschaft. … Der stundenlange Ausfall der Dienste hat also nicht nur die Abhängigkeit vieler von Facebook ins Rampenlicht gezerrt, sondern er kommt in diesem Umfeld auch ziemlich ungelegen. Kaum etwas könnte peinlicher sein. Er zeigt, wie fehleranfällig die digitale Infrastruktur … immer noch ist und wie schnell die zunehmend digital strukturierte Wirtschafts- und Arbeitswelt aus dem Gleichgewicht geraten kann.“
Russland braucht ein eigenes Netz
Durch den Blackout bei Facebook sind die Verfechter eines souveränen russischen 'Runet' im Aufwind, meint Kommersant:
„Der Kollaps der amerikanischen sozialen Netze hat die ewige These von der nationalen Sicherheit [im Netz] wieder aufs Tapet gebracht. Berichte, ob nun in der Tat 1,5 Mrd. persönliche Datensätze von Facebook-Usern entwichen sind, wurden in Russland zu Top-News. Es ist also mit erneuten, nachdrücklichen Bitten der Netz-Aufsicht an die US-Firmen zu rechnen, man möge die russischen Gesetze beachten und die persönlichen Daten von Russen in Russland speichern. Die Notwendigkeit eines mehr oder weniger souveränen Runet ist schwer abzustreiten. Ebenso wie die Tatsache, dass jede Internet-Infrastruktur früher oder später einmal ausfällt. Die Frage ist nur: Was kommt danach?“