Warum sind Lebensmittel so teuer geworden?
Weltweit steigen seit Beginn der Corona-Pandemie die Lebensmittelpreise. Das bringt ärmere Staaten, aber auch die ärmeren Schichten in wohlhabenderen Ländern zusehends in Not, weil - wie zum Beispiel in Russland und der Ukraine - selbst traditionell günstige Grundnahrungsmittel von massiven Teuerungen betroffen sind. Kommentatoren betreiben Ursachenforschung.
Jetzt geht es um die Wurst
In Russland haben große Wurstproduzenten zum dritten Mal in diesem Jahr Preiserhöhungen angekündigt. Für Echo Moskwy ein Rezept für langfristigen Aufruhr:
„Seit den 1990er Jahren leben wir in der sattesten Epoche der Geschichte unseres Landes. Unsere Propaganda basiert auf dem starken Tandem aus Kühlschrank und Fernseher. So lange der Kühlschrank nicht leer ist, kann die Glotze rumlügen, wie sie will. Das geht so lange, wie man jedwede Zweifel mit Wodka und Wurst ersticken kann. ... Leider treffen wir wichtige Lebensentscheidungen nicht mit dem Kopf und nicht mal mit dem Herzen - sondern mit dem Magen. Freie Meinungsäußerung ist ein abstrakter Begriff. Wenn es nichts mehr zu futtern gibt, ist das sehr konkret. Man kann beliebig viele Milliarden in Armee, Polizei und Nationalgarde stecken - aber wenn die Leute nichts zu essen haben, kommt man mit tumber Gewalt nicht mehr weit.“
Inflation ist für die Zentralbanken das kleinere Übel
Für Wedomosti spielt auch die Finanzpolitik des Westens eine Rolle:
„Ein weiterer globaler Faktor für den Inflationsschub sind die weitreichenden Maßnahmen der entwickelten Länder zur Nachfragestützung während der Pandemie. Sie waren recht effektiv, aber vor dem Hintergrund einer sich nur langsam erholenden Produktion kam es zu einem Übergewicht der Nachfrage gegenüber dem Angebot. Eine höhere, wenn nicht gar eine Rekordinflation ist für die Finanzregulatoren dieser Länder ein kleineres Übel als Nachfragerückgang und wachsende Armut. ... Weder die [US-Notenbank] Fed noch die EZB haben aktiv etwas zur Eindämmung des Preisschubs getan, sie halten den Basiszins auf Null oder knapp darüber - ungeachtet der Rekordwerte bei der Inflation.“
Gerade preisgünstige Waren verteuern sich
Strana beklagt einen Teufelskreis bei der Preisentwicklung für Grundnahrungsmittel in der Ukraine:
„Da die Einkommen der Ukrainer auf gleichem Niveau bleiben, ernähren sich viele Familien von Getreidebrei. Dies erklärt die erhöhte Nachfrage nach Getreide und die damit einhergehenden steigenden Preise. … Der Löwenanteil der Nahrung besteht aus preisgünstigen Lebensmitteln. Die Produzenten machen sich dies zunutze und erhöhen die Preise. Und so werden billige Produkte viel schneller teurer als vergleichsweise teure. Sonnenblumenöl ist in nur einem Jahr um 80 Prozent teurer geworden, Rahmbutter dagegen nur um 5 Prozent. Schweinefleisch wurde 4 Prozent, Hühnerfleisch fast 40 Prozent teurer. ... Da Brei eines der billigsten Gerichte bleibt, gehen viele Familien dazu über. Und je teurer andere Produkte sind, desto höher ist die Nachfrage nach Getreide.“
Es gibt kein Supermarkt-Kartell
Der türkische Präsident Erdoğan hat fünf große Supermarktketten für die hohen Lebensmittelpreise verantwortlich gemacht. Cumhuriyet hat sich das näher angeschaut:
„Die Supermarktketten machen nur 30 Prozent des Einzelhandels aus. Darüber hinaus gibt es 400 lokale Supermarktketten und 160.000 traditionelle Läden, die zusammen 70 Prozent des Sektors ausmachen. Es ist de facto nicht möglich, dass fünf Ketten, die 30 Prozent des Sektors repräsentieren, ein Kartell bilden und die Preise anheben. Die 70 Prozent und die Online-Händler sorgen für einen sehr großen Wettbewerbsdruck. ... Wenn man sich die Zahlen der vergangenen Jahre anschaut, sieht man, dass die großen Ketten nur einen mickrigen Gewinn von unter zwei Prozent machen konnten.“