Rechter als Le Pen: Eric Zemmour will in den Elysée-Palast
Schon länger wurde es vermutet, nun ist es klar: Der rechtsextreme Journalist Eric Zemmour hat auf YouTube seine Kandidatur für die französische Präsidentschaftswahl 2022 öffentlich gemacht. Sein Video lehnt sich an General de Gaulles Aufruf zum Widerstand von 1940 an und warnt vor einem Verschwinden der französischen Kultur infolge der Zuwanderung. Europas Presse bereitet die Kandidatur Sorgen.
Linke muss endlich Gegenpol bilden
Nun ist Frankreichs Linke gefordert, drängt Libération in ihrem Leitartikel:
„Schon Zemmours Ankündigungsvideo allein erfüllt fast alle Kriterien von Umberto Ecos Klassiker Der ewige Faschismus, mit den Muslimen als bevorzugtem Sündenbock. Nichts Neues bei diesem paranoiden Wahn außer der Tatsache, dass dieser nun die öffentliche Debatte vergiftet, von der Vorwahl der sogenannten 'klassischen' Rechten bis hin zu den 'ausgewogenen' Fernsehsendern. … Doch wer wird die Muslime, die Frauen, die Juden, die Beamten, die Intellektuellen und weiteren Ziele dieser Hassreden schützen? Die in der politischen Debatte bislang unsichtbare Linke hat nun eine historische Aufgabe, derer sie sich nicht entziehen kann.“
Mehr als ein Hype
De Morgen graut jetzt schon davor, was diese Kandidatur auslösen könnte:
„Der Zemmour-Hype ist mehr als nur eine Modeerscheinung. Die Folgen, wenn ein rechtsradikaler Isolationist die Schlüssel eines Kernlandes der Europäischen Union in die Hände bekommen sollte, sind kaum abzuschätzen. Dann wäre auf einmal das Ende der EU denkbar. ... Gesellschaftlich ist mit einem Präsidenten, der Rassismus, Islamhass und Antisemitismus normalisiert, eine gefährliche Polarisierung zu befürchten. ... Um dieses Gedankengut zu normalisieren, muss Zemmour nicht einmal Chef werden. ... Auch mit rechtsradikalen, -extremen oder -populistischen Stimmen in der Opposition wäre der Einfluss auf die Politik und die Gesellschaft fühlbar. “
Der französische Trump
La Stampa schreibt:
„Zemmours Erfolg im öffentlichen Diskurs ist auf seine von 'Chauvinismus 2.0' durchdrungene Rhetorik zurückzuführen, die nichts anderes tut, als die Amerikanisierung der Politik in Frankreich fortzusetzen. … Dabei war es paradoxerweise der rechte Flügel der Sarkozy-Ära, der als erster das Erbe des Gaullismus aufgab. Das führte zum Aufstieg von Zemmour, dem Bannerträger der politischen Unkorrektheit, eines weißen Suprematismus à la française, eines Neoliberalismus, der im Widerspruch zu den erklärten Programmen der sozialen Rechten steht. Ein Anti-System-Ritter, der sich als Außenseiter präsentiert, aber von einem dichten Netz reaktionärer Geldgeber unterstützt wird. ... Kurzum: De Gaulle adieu und auf zum Franko-Trumpismus.“
Le Pen könnte profitieren
Dass Zemmours Kandidatur der Vorsitzenden des ebenfalls weit rechts stehenden Rassemblement national schadet, hält der Frankreich-Korrespondent Stefan Brändle im Cicero für nicht ausgemacht:
„Wenn es ihr in den nächsten Monaten gelingt, sich als salonfähige 'Softversion' von Zemmour zu präsentieren und sich von seinen Hasstiraden abzugrenzen, könnte sie sogar profitieren. Und zwar dann, wenn Zemmour zurückfällt und sich seine Stimmen auf sie übertragen. In den Umfragen für den zweiten Wahlgang werden ihr gegen Macron schon heute – hohe – 46 Prozent der Stimmen gutgeschrieben. Das macht einen Sieg zumindest möglich. Dank dem Sekundanten Zemmour?“
Macron kann sich freuen
Weil die Konservativen in Frankreich wegen Eric Zemmours Antreten stark nach rechts abdriften, fehlt es den Wählern an moderaten Alternativen zum regierenden Präsidenten, analysiert The Times:
„Das größte Risiko, dem Emmanuel Macron ausgesetzt ist, besteht darin, dass LR (Les Republicains), die nächste Woche ihren eigenen Kandidaten wählt, sich für einen gemäßigteren Fahnenträger wie Michel Barnier entscheidet. Der ehemalige Brexit-Unterhändler der EU könnte im zweiten Wahlgang einen Sammelpunkt der Opposition gegen Macron darstellen. Aber da Barnier und seine Rivalen zunehmend auf die harte Haltung Zemmours beim Thema Einwanderung einschwenken, deuten die Umfragen darauf hin, dass die Partei kaum Chancen hat, die zweite Runde zu erreichen, geschweige denn zu gewinnen.“