Nato-Treffen in Riga: Deutliche Worte gegen Russland

Der Ton der Nato gegenüber Russland verschärft sich: Auf dem Treffen der Nato-Außenminister am Dienstag und Mittwoch in Riga warnte Generalsekretär Stoltenberg, Moskau würde für einen neuerlichen Einmarsch in die Ukraine "einen hohen Preis zahlen". US-Außenminister Blinken sprach von Beweisen für solche Pläne Russlands und drohte mit Wirtschaftssanktionen. Europas Presse deutet die Signale.

Alle Zitate öffnen/schließen
taz, die tageszeitung (DE) /

Im Ernstfall steht Kiew allein da

Die Unterstützungsbekundungen der Nato für die Ukraine sind für die taz leeres Geschwätz:

„Sollte Russland tatsächlich in der Ukraine einmarschieren, würde die Nato keinen Finger krümmen. Genauso ins Reich der Fantasie gehört die Annahme, die Ukraine könnte in absehbarer Zeit Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden - von wegen. Im 'besten' Fall fallen für Kiew jetzt ein paar zusätzliche Waffenlieferungen ab. Für eine wirksame Abschreckung dürfte das kaum reichen.“

De Volkskrant (NL) /

Ukraine ist Opfer der neuen Weltordnung

Wie jetzt Kiew ist es schon anderen ergangen, analysiert De Volkskrant:

„Es gibt Parallelen zu der Situation von Taiwan im Schatten Xis. Beide Länder kämpfen mit strategischer Einsamkeit und sind Beispiele einer post-amerikanischen Weltordnung, in der Großmächte das Recht einfordern, sich in ihrer Nachbarschaft einzumischen. Ohne dass deutlich wird, ob es eine Gegenmacht gibt, die sie davon abhalten kann oder will. Die beiden sind nicht die ersten Länder, die auf der Schlachtbank der neuen Weltordnung liegen. Hongkong wurde brutal unter direkte chinesische Führung zurück gezwungen, während die Welt ohnmächtig zuschaute. Die Ukraine wurde 2014 bereits teilweise gestutzt, und davor gab es den Georgien-Krieg 2008. “

Radio Kommersant FM (RU) /

An Weihnachten wollen sich alle entspannen

Radio Kommersant FM sieht die aktuellen Spannungen eher als politisches Kalkül:

„Das Anheizen der Lage ist für absolut alle Beteiligten von Nutzen. Nichts kann die öffentliche Meinung besser ablenken als Kriegsgefahr. Und Probleme gibt es bekanntlich auf allen Seiten. Man darf es halt nur nicht übertreiben. Das Szenario ist auch klar: Putin und Biden werden sich treffen und nach dem Gespräch vermeldet jeder seinen diplomatischen Sieg. Die Spannung legt sich für eine Weile und alle gehen friedlich Weihnachten feiern - bis zur nächsten Verschärfung. Das Hauptproblem liegt im Fehlen von Lösungswegen für die Donbass-Krise.“

Avvenire (IT) /

Der Nato könnte der Weg abgeschnitten werden

Die Lage in der Region ist sehr fragil, merkt Avvenire an:

„Riga wird durch die in Kaliningrad stationierten Iskander-Raketen bedroht und befürchtet eine Invasion der 50.000 Soldaten, die Wladimir Putin zwischen der Krim und Belarus stationiert hat. ... Sollten Kämpfe von der Ukraine her ausbrechen, würde das [polnische] Gebiet Suwałki, das an das Baltikum grenzt, als erstes kapitulieren. ... Suwałki ist der einzige Landweg, der die baltischen Staaten mit den EU-Ländern und den Nato-Verbündeten verbindet. Es ist ein Knotenpunkt des Atlantischen Bündnisses, das von den Russen mit Raketen und Abfangjägern ständig unter Druck gesetzt wird. Ein echtes Problem für die Nato, der die Hände gebunden wären und die nicht in der Lage wäre, Estland, Litauen und Lettland rechtzeitig zu Hilfe zu kommen.“

Der Tagesspiegel (DE) /

Die Kosten für Putin in die Höhe treiben

Der Tagesspiegel fordert Waffenlieferungen an die Ukraine:

„Das Land muss nicht fähig werden, Russland zu besiegen. Es genügt, wenn Putin im Fall eines Angriffs einen so abschreckend hohen Preis einkalkulieren muss – von russischen Soldatensärgen bis zu Sanktionen –, dass er es lieber lässt. Im hybriden Krieg in der Ostukraine zogen die von Moskau unterstützten Milizen ihre Panzer zurück, als bekannt wurde, dass die USA der Ukraine panzerbrechende Waffen liefern. An dieser Klarheit, wie hoch die Kosten ausfallen können, hat es 2014 gefehlt, bevor Putin sich entschloss, die Krim zu besetzen.“

LB.ua (UA) /

Nicht nur die Ukraine wird von Russland bedroht

Die Nato-Außenminister sollten die in vielen Regionen Europas existente russische Bedrohung thematisieren, meint der Journalist Olexandr Horobez in LB:

„Derzeit besteht die Gefahr einer neuen Eskalation in der Ukraine. Man sollte aber nicht meinen, dass alle anderen europäischen Staaten vor einer russischen Invasion gefeit sind. Allerdings haben diese Entwicklungen den Fokus etwas von den ebenfalls bedeutenden Regionen des Schwarzen Meeres und der Ostsee abgelenkt. So stellt beispielsweise die Modernisierung und Verstärkung der russischen Gruppierung in Kaliningrad mit operativ-taktischen Iskander-Komplexen 2018 angesichts der Reichweite von Raketen dieses Waffentyps bereits eine Bedrohung auch für Mitteleuropa dar.“

Echo Moskwy (RU) /

Moskaus Muskelspiel ist kontraproduktiv

Die Politologin Lilija Schewzowa erklärt auf Echo Moskwy, welche Nebenwirkungen Putins Strategie der Anspannung hat:

„Erstens untergräbt diese Politik das Überleben der russischen Kapitalinhaber dank ihrer westwärts verlagerten Mittel. Zweitens entstehen Probleme bei der Nutzung des Westens als Ressource des russischen Staats. Drittens ist der Westen zu einer Militarisierung gezwungen. Selbst das den US-Sicherheitsschirm gewohnte, träge Europa hat sich aufgerafft, über seine Verteidigungsfähigkeit nachzudenken. ... Russland versucht mit der Drohung, jederzeit und überall auf der Erde den Status quo sprengen zu können, seine globale Rolle zu bewahren. Seine Führung braucht diese globale Rolle als Kompensation ihrer Unfähigkeit, Russland mittels innerer Veränderungen zu erneuern.“