Was bewirkt Washingtons Olympia-Boykott?
Nun ist aus den Erwägungen ein Beschluss geworden: Die USA werden keine diplomatische Delegation zu den Olympischen Spielen von Peking schicken. Als Begründung gab das Weiße Haus Chinas "fortdauernden Genozid" an den muslimischen Uiguren und Menschenrechtsverletzungen an. Peking reagierte empört: Die USA würden "einen Preis für ihre Praktiken zahlen". Europas Presse diskutiert Sinn und Folgen eines Boykotts.
Europäer stehen als Verlierer da
Wieder einmal war Europa zu zögerlich, analysiert Les Echos:
„Die Europäer riskieren erneut ihren Ruf angesichts einer Entscheidung, die nicht ihre eigene ist. Bei der Frage des Boykotts werden sie unweigerlich die Verliererrolle einnehmen, das steht jetzt schon fest. Denn der Entschluss der Biden-Regierung führt zu einem regelrechten Wettbewerb um moralische Tugenden und 'Soft Power', aus dem die USA nur als Sieger hervorgehen können, da sie den Boykott als Erste angekündigt haben. Wie schwer es Europa fällt, eine eigenständige internationale Linie zu verfolgen, vor allem gegenüber China! Auch im Bereich der sportlichen 'Soft Power' müssen die Europäer lernen, abseits der Pisten zu fahren.“
Platter Verweis auf IOC hinkt
Dänemark sollte dem US-Vorbild folgen, fordert Berlingske:
„Noch in der vergangenen Woche erklärte der sozialdemokratische Außenminister Jeppe Kofod, dass sich die dänische Regierung noch nicht zu einer offiziellen Beteiligung Dänemarks geäußert habe und verwies darauf, dass nicht China, sondern das Internationale Olympische Komitee für die Einladung zu den Winterspielen steht. Diese Erklärung klingt jedoch hohl. Egal, wer formell für die Einladung steht, es ist absurd, nicht auf das Land zu schauen, in dem die Spiele stattfinden. Das Mindeste, was wir tun können, ist darauf hinzuweisen, dass China kein normales Land ist, das die Gelegenheit zu interner und externer Propaganda verdient, die die Olympischen Winterspiele ermöglichen.“
So gerechtfertigt wie zwecklos
Lidové noviny zweifelt am Sinn eines diplomatischen Boykotts:
„Mehr als eine Million Menschen in Gefängnissen und Konzentrationslagern sind nur schwer mit der Olympischen Charta vereinbar, in der von der Bewahrung der Menschenwürde die Rede ist. ... Andererseits werden die Spiele immer teurer. Kein Wunder, dass sie manchmal in nichtdemokratischen Ländern stattfinden, die ihre Bürger nicht fragen müssen, wofür ihr Geld ausgegeben wird. Gleichzeitig hat ein solches Regime den größten nicht-monetären Gewinn durch die Ausrichtung der Spiele, weil es an Ansehen gewinnt und die Kritik für sein Verhalten gegenüber seinen Bürgern schwindet. Daran ändert auch ein Boykott durch offizielle Landesdelegationen nichts.“
Sportlerinnen und Sportler dürfen nicht leiden
Der Deutschlandfunk hofft, dass es bei einem politischen Boykott bleibt:
„Athletinnen und Athleten weltweit bereiten sich seit Jahren auf diese Spiele vor. Sie sind an der Vergabe der Spiele in Diktaturen nicht beteiligt, müssen die Entscheidung über den Austragungsort aber akzeptieren. Ihnen einen Boykott zu verordnen, wäre der falsche Weg. Jeder Athlet und jede Athletin hat die Möglichkeit, aus persönlichen Gründen nicht an den Spielen teilzunehmen, aber die wenigsten werden darauf verzichten wollen oder können. Unter anderem, weil sie mit dem Sport – und gerade mit der Olympiateilnahme – ihr Geld verdienen. Athletinnen und Athleten durch einen sportlichen Boykott ausbaden zu lassen, was Regierungen zu lange ignoriert haben, ist falsch.“