Olympia: Besucht Europa die Winterspiele in China?
Während die USA die olympischen Winterspiele in China diplomatisch boykottieren, hadert die EU. Frankreichs Präsident Macron erklärte, ein rein politischer Boykott sei ohne sportlichen Boykott sinnlos. Die meisten europäischen Regierungen stellen sich hinter Macrons Ganz-oder-gar-nicht, plädieren aber für eine Teilnahme an den Spielen. Europas Presse erwägt Argumente für einen halben oder ganzen Boykott.
Warum China die Strafe verdient hat
Dass auch ein Fernbleiben diplomatischer Delegationen Wirkung zeigen würde, meint Seznam Zprávy:
„Ein diplomatischer Boykott mag auf den ersten Blick wie eine leere Geste erscheinen, aber Peking wird er weh tun. ... Wird ein diplomatischer Boykott der Spiele ein Schritt zur weiteren Verschärfung der Beziehungen zwischen China und der euroatlantischen Welt sein? Vielleicht ja. Aber Peking hat diesen Weg selbst gewählt - durch Verfolgung von Minderheiten, durch Razzien gegen Demonstranten in Hongkong und durch dreistes Lügen zu Beginn der Covid-Pandemie.“
Halber Boykott bringt wenig
Nur ein geschlossenes Fernbleiben würde Peking wirklich schmerzen, glaubt hingegen Der Standard:
„Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn liegt in einem Punkt gewiss richtig, wenn er sagt, dass es für politisch Verantwortliche höchst fragwürdig sei, wohl Athleten nach China zu schicken, aber selbst nur im Fernsehen zu 'schauen, wie es im Biathlon steht'. ... Ganz dieser Meinung ist Emmanuel Macron, ja, der französische Präsident plädierte ursprünglich sogar dafür, entweder auch keine Athleten aus der EU zu entsenden oder international ein anderes, gemeinsames Zeichen zu setzen. Dieses 'Ganz oder gar nicht' ist inzwischen nicht mehr zu hören, wäre aber zumindest für die Zukunft ein Ansatz.“
Sport als Feigenblatt
Mit dem Boykott von Sportereignissen machen es sich die Staaten zu einfach, kritisiert L'Humanité:
„Warum sollte eigentlich nur der Sport Gegenstand von Boykott sein? Niemand fordert, den Handel mit China einzustellen oder die laufenden Verträge mit Katar aufzukündigen. Wenn Länder geächtet werden, sollten sie nicht nur im Zusammenhang mit Sportereignissen geächtet werden. Aber der sehr öffentlichkeitswirksame Sport ist eben die leichtere Zielscheibe als Kultur oder Wirtschaft. Hier erkennt man den Widerspruch des Ganzen: Das Gewissen lässt sich leicht beruhigen, indem man mit dem Sport ein spektakuläres Exempel statuiert, ohne die übrigen Aktivitäten oder den Handel anzurühren.“