Stoppt Erdoğans Schritt den Lira-Verfall?
Präsident Erdoğan hat Maßnahmen gegen den Verfall der Lira angekündigt: Der Staat soll einspringen, wenn die Wechselkursverluste stärker sind als der versprochene Sparzins. Das soll verhindern, dass die Bürger ihr Geld in Devisen umtauschen. Über Nacht machte die Lira daraufhin die Verluste der vergangenen drei Wochen wieder wett. An der umstrittenen Niedrigzinspolitik will Erdoğan aber festhalten.
Währung wird wieder attraktiv
Die Regierung hat diese Krise im Griff, meint die regierungstreue Tageszeitung Star:
„Die Türkei hat während der Pandemie eine hervorragende Performance hingelegt, was das Gesundheitswesen und was Stützen für die Wirtschaft anbelangt. Allen unseren Bürgern der Zugang zur Impfung und zu Gesundheitsleistungen ermöglicht; Unternehmer, Händler, Kleinbetriebe und Arbeiter erhielten Unterstützung in Form von Barzahlungen, Arbeitslosengeld und Sozialhilfe. ... Präsident Erdoğan hat am Montagabend eine Rede gehalten, die wieder Vertrauen in die Lira geschaffen hat. ... Mit dieser Neuregelung wird sowohl eine Benachteiligung derjenigen Bürger verhindert, die in die türkische Lira vertraut haben, als auch die Attraktivität der Lira wieder gesteigert.“
Nur eine Verschnaufpause vor dem großen Crash
Echo Moskwy gibt einen Beitrag aus dem Telegram-Kanal SerpomPo wieder, der Erdoğans Rettungsplan für nicht nachhaltig hält:
„Die Maßnahmen sind originell und - besonders interessant - sie erfordern keine Valuta-Interventionen und überhaupt sofortige Investitionen. ... Aber es gibt kein Perpetuum mobile. Die Währungskrise mit Lira bekämpfen, das kann nicht klappen. ... Für unabhängige Beobachter sieht vorerst alles danach aus, dass die Wirtschaftsprobleme lawinenartig wachsen werden. Die Bevölkerung ächzt unter dem Preisanstieg. Mittelfristig ist die Lira nicht zu halten. Das Gespenst eines Staatsbankrotts der Türkei wird immer realer, die Vorzeichen für eine neue politische Krise auch.“
Gefundenes Fressen für die Opposition
Erdoğans Logik lässt sich nicht mehr erklären, meint der Istanbul-Korrespondent des Handelsblatts, Ozan Demircan:
„Alles, was Investoren und Analysten sehen, ist Chaos. Der Opposition im Land macht er es damit leicht. Sie muss nur versprechen, dieses Chaos zu beenden und zu einer orthodoxen Politik zurückzukehren. Schon dieses Versprechen verfängt bei den Bürgern, wie die Umfragen zeigen. … Es war Erdoğan selbst, der arme Türkinnen und Türken zu Wohlstand gebracht hat - und damit sich selbst von Wahlsieg zu Wahlsieg. In spätestens anderthalb Jahren finden die nächsten Wahlen statt. Erdoğan will wieder gewinnen. Sein Stern jedoch hat schon jetzt zu sinken begonnen.“