US-Angebot zur Ukraine: Was wird Moskau jetzt tun?
Die USA haben Russland in den Verhandlungen zum Ukraine-Konflikt ihre schriftliche Antwort übergeben: Die Politik der offenen Tür der Nato stehe weiterhin nicht zur Debatte. Über Rüstungskontrolle in Europa könne man aber verhandeln. Sollte Moskau angreifen, drohten scharfe Sanktionen. Russlands Außenminister Lawrow zeigte sich unzufrieden, betonte aber, man wolle keinen Krieg. Europas Presse erwartet ein zähes Hin und Her.
Ein wenig trügerische Ruhe
Tygodnik Powszechny erwartet eine zweifelhafte Verschnaufpause:
„Man darf davon ausgehen, dass nun eine gewisse Ruhe einkehren wird, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Putin mit der Reaktion der USA nicht zufrieden ist. Deshalb wird er nicht ruhen und die Spirale der Angst weiter anheizen, schließlich hat er sein Ziel nicht erreicht. Putin braucht die gesamte Ukraine (und nicht nur das Stück Donbass und die Krim, die er ihr genommen hat) und die Demontage der Solidarität der westlichen Verbündeten: ob in der Nato, der EU oder der transatlantischen Zusammenarbeit.“
Vernünftige Offerte
Wenn Putin wirklich verhandeln will, dann wäre jetzt die Zeit gekommen, findet die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Nach dem, was die Amerikaner öffentlich gesagt haben, entspricht ihre Antwort im Wesentlichen dem, was der Kreml seit Wochen aus Washington und dem Bündnis zu hören bekommt: Die Nato lässt sich nicht in Fragen ihrer Mitgliedschaft hineinreden, ist aber bereit zu Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle. Das ist ein vernünftiges Angebot, das viele der militärischen Spannungen beseitigen könnte, die nicht nur im Zusammenhang mit der Ukraine entstanden sind. Putins Herrschaftsanspruch über Osteuropa ist dagegen nicht durchsetzbar. Je früher man das im Kreml einsieht, desto besser wäre es für alle Beteiligten.“
Der Kreml kann Entspannung nicht gebrauchen
Echo Moskwy geht davon aus, dass das Tauziehen um die Ukraine noch sehr lange anhalten wird:
„Russland fordert, dass die Nato mit Manövern an unserer Grenze aufhört. Aber wir Russen können auf unserem Gebiet machen, was wir wollen! Die Nato antwortet: Auf unserem Gebiet machen wir, was wir wollen ... Unser Interesse liegt nicht darin, dass diese Krise gelöst wird, sondern darin, dass es sie gibt. Das ist wie im Donbass: Das Interesse des Kremls liegt nicht in der Konfliktbeilegung, sondern in permanenter Anspannung. Ohne Anspannung hat man keine Hebel. Und ohne Hebel achtet niemand auf uns. Deshalb werden wir weiterhin diese unterhaltsamen, aber sinnlosen Scherereien verfolgen müssen.“
Putin schweigt und freut sich
Dass Putin bisher geschwiegen hat, ist Taktik, meint De Standaard:
„Während Biden in den vergangenen Wochen ständig über die Ukraine sprach, berührte Putin die Frage nicht mehr. Und es ist nicht so, dass er nicht mehr in der Öffentlichkeit erschien. Im Gegenteil, er ist ständig in den Medien. ... Über das Warum seines Stillschweigens kann man, wie immer bei Putin, nur rätseln. Im Prinzip wusste er, dass die Nato und die USA seine Forderungen zurückweisen würden. Bereitet er in aller Stille den nächsten Schritt vor? Oder hofft er doch noch auf einen Ausweg aus der Pattstellung? Mit seinem Schweigen macht er den Westen in jedem Fall nervöser. Das betrachtet er sowieso schon als einen Sieg.“
Sanktionen könnten diesmal ungemütlich werden
Corriere della Sera schreibt:
„Als Russland 2014 die Krim besetzte, dauerte es Monate, bis die westlichen Regierungen ihre Sanktionen beschlossen. ... Eine Liste von Maßnahmen, die Russland eineinhalb Prozentpunkte Wachstum kosteten. Wladimir Putin entschied, dass dies ein akzeptabler Preis für die Rückgewinnung eines Teils des Moskauer Reichsgebietes sei. Diesmal wollen die Amerikaner dem russischen Präsidenten einen Strich durch die Rechnung machen, sowohl was die Härte als auch was die Geschwindigkeit der bereits vorbereiteten Sanktionen angeht. Und es spielt keine Rolle, ob die europäischen Regierungen beschließen, sich dem anzuschließen oder nicht, denn Washingtons Paket ist so angelegt, dass die Unternehmen des Alten Kontinents gezwungen sind, sich anzupassen, um nicht von den US-Märkten ausgeschlossen zu werden.“
Vergeudetes Potenzial
Aamulehti findet, Russland könnte sein Know-how besser einsetzen:
„Die russische Führung hat sich durch ihr eigenes Handeln in eine Ecke manövriert, aus der es kaum noch einen Ausweg zu geben scheint. Es ist wahrscheinlich, dass in den kommenden Wochen etwas Unangenehmes in Russlands Machtspiel passieren wird. Was an Russlands Handeln am meisten betrübt, ist das vergeudete Potenzial des Landes. Russlands Wissenschaft und Forschung sind auf einem hohen Niveau. Anstatt Waffentechnologie zu entwickeln, hätte man das Wissen für die Entwicklung erneuerbarer Energien, wie z.B. Wasserstoffsysteme, nutzen können. Die russische Wissenschaft könnte auch bei Filtertechnologien für fossile Brennstoffe und beim Entfernen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre einen Beitrag leisten.“