Partygate IV: Bericht stellt Führungsversagen fest
Nach der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts zu verschiedenen Partys in der Downing Street während des Lockdowns lässt Premier Boris Johnson keine Anzeichen erkennen, zurücktreten zu wollen. Beobachter wie Kommentatoren bemängeln, dass Untersuchungsleiterin Sue Gray zwar ein Versagen von Führung und Urteilsvermögen in Regierungskreisen feststellt, sonst aber ziemlich vage bleibt.
Das zieht sich noch länger hin
Aus dem Bericht lässt sich kein Fehlverhalten des Premiers herauslesen, urteilt The Daily Telegraph:
„Es gibt keinen rauchenden Colt, keinen Schlag aufs Herz von Boris Johnsons Regierungsführung. Sue Gray kritisiert den Premier nicht persönlich und sie behauptet auch nicht, dass er falsch oder rücksichtslos gehandelt habe. ... Grays Bericht hat nichts dazu beigetragen, Übeltäter beim Namen zu nennen oder die endgültige Verantwortung zuzuweisen. Jetzt wird daraus eine politische Debatte, und die Parteien werden den Kampf auf dieser Grundlage fortsetzen. Der Premier hat sich etwas Zeit erkauft.“
Keine gute Entscheidungsgrundlage
Auch für Tygodnik Powszechny ist weiter alles offen:
„Vom Inhalt dieses Dokuments wurde die politische Zukunft von Premier Johnson abhängig gemacht. Viele konservative Abgeordnete wollten erst nach der Veröffentlichung des Berichts entscheiden, ob sie einen Antrag auf einen Wechsel an der Parteispitze stellen, oder Johnson im Amt halten wollen. Wird ihnen der kurze und sehr vage Bericht genügen? Es ist bekannt, dass ihre Frustration über die Verzögerung und die daraus resultierende Schädigung des öffentlichen Ansehens des Premiers und seiner Partei wuchs. ... Es liegt nun an Johnsons Parteikollegen, über die weitere Entwicklung zu entscheiden. Und das britische Volk wird seine Meinung an den Urnen bei den Kommunalwahlen im Mai zum Ausdruck bringen können.“
Johnson hofft auf Freiheitseffekt
Dass Johnson gehen muss, ist auch für De Standaard noch nicht ausgemacht:
„Bedeutet das, dass Johnson sicher ist? Nein, denn Partygate ist eine Seifenoper mit immer neuen Wendungen, und die Stimmung innerhalb der Partei kann immer wieder umschlagen. ... Die Frage ist, wie lange die Polizeiuntersuchung dauern wird. Denn Johnsons Schicksal hängt vor allem von der öffentlichen Meinung ab. Wie lange hält die Wut der Briten an über die Tatsache, dass sie sich an die strengen Regeln halten mussten und dass 156.000 Menschen gestorben sind? In Großbritannien hat jetzt das 'Reich der Freiheit' [mit der Aufhebung von Corona-Restriktionen ab dem 27. Januar] begonnen. Johnson setzt darauf, dass ihm das ein Ticket für die Befreiung bringt.“