Putin versetzt Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft
Nach immer schärferen Sanktionen gegen sein Land hat Russlands Präsident Putin "besondere Kampfbereitschaft" für die "Abschreckungskräfte" der Armee angeordnet. Diese verfügen auch über nukleare Waffen. Er begründete den Schritt mit "aggressiven Erklärungen" des Westens. Die USA werteten das als weitere Eskalation und Nato-Generalsekretär Stoltenberg betonte den Ernst der Lage. Auch Europas Presse zeigt sich mehrheitlich besorgt.
Russen, verweigert euch dem Atomkrieg!
In einem von gordonua.com übernommenen Facebook-Post wendet sich der russische Schriftsteller Boris Akunin mit einem Appell an Armee und Bevölkerung seines Landes:
„Liebe russische Leser, die sich nicht für Politik interessieren (ich weiß, dass es hier viele von Ihnen gibt). Ist Ihnen klar, dass Putin mit dem heutigen Befehl, das russische Atomwaffenarsenal in Alarmbereitschaft zu versetzen, den Planeten an den Rand eines Weltkriegs gebracht hat? Ich möchte mich an das Militär wenden. Wenn Sie einen derartigen Befehl erhalten, führen Sie ihn nicht aus. Übernehmen Sie nicht die Verantwortung für die Katastrophe. Und nein, das heißt nicht, dass Sie sich einschüchtern lassen sollen. Es bedeutet, dass es für alle Zeit ist, aufzuwachen. Ein einziger Wahnsinniger kann das Leben auf der Erde zerstören.“
Angst und Frustration
Als Begründung für seinen Schritt führte Putin aggressive Reaktionen des Westens an. Das sind für La Stampa Scheinargumente:
„Seit Beginn der Krise haben die USA und die Nato jedoch betont, dass sie nicht militärisch in der Ukraine eingreifen wollen. Der Grund für den unverantwortlichen Nuklearschritt des russischen Präsidenten muss also anderswo gesucht werden. Entweder in der Paranoia, die ihn zu ergreifen scheint. Oder in der Frustration und Angst, die Wette zu verlieren, deren Einsatz letztlich seine Präsidentschaft auf Lebenszeit ist. Oder in beidem. Nach vier Tagen erbitterter Kämpfe hat Wladimir Putin nicht nur seinen Wunschkrieg nicht so gewonnen, wie er gehofft hat, sondern erleben müssen, dass Selenskyj seine einschüchternden Ultimaten ablehnt.“
Unerträgliche Aussichten
Putin spielt mit der Apokalypse, schreibt Visão:
„Egal, welche Atomwaffe eingesetzt wird, ob taktisch, auf einem Kriegsschauplatz oder strategisch, unabhängig davon, wo und wie ihr Einsatz erfolgt, die andere Partei wird sofort reagieren. Und selbst wenn nur taktische Waffen eingesetzt werden, können diese eine Armee oder eine Millionenstadt zerstören und es ist fast sicher, dass dies sofort zur gegenseitig zugesicherten Zerstörung [nach der MAD-Doktrin] führen würde. Es ist besser, nicht darüber nachzudenken. In einer solchen Situation gibt es keine Zukunftsszenarien.“
Worst-Case-Szenario durchaus denkbar
Man kann sich leider nicht sicher sein, ob Putin nicht tatsächlich den roten Knopf drücken wird, warnt Jutarnji list:
„Putin startete die ganze Operation mit dem leidenschaftlichen Wunsch, einen historischen Sieg zu erringen, sich als mächtiger russischer Herrscher zu beweisen, als Herrscher Europas, ja Eurasiens. ... Putin ist alleine, fürchtet sich vor seiner Sterblichkeit, an die ihn die Pandemie erinnert hat, er ist sich der Vergänglichkeit bewusst. 'Nach mir die Sintflut', sagte einmal ein Spinner. Nach mir das Aufräumen der nuklearen Folgen, in die Geschichte eingehen als Name, an dem man nicht vorbeikommt - dies könnte im Kopf von Vlad the Mad vorgehen. Und deshalb muss man jetzt außerordentlich vorsichtig sein.“
Ohnehin immer einsatzbereit
Die oppositionelle Nowaja Gaseta hält diesen Schritt Putins für eine rein verbale Abschreckungsmaßnahme:
„Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Versetzen der Atomstreitkräfte in Alarmbereitschaft eine an die Nato-Länder gerichtete vorbeugende Maßnahme, eine öffentliche Warnung vor einer Beteiligung an den Kampfhandlungen auf Seiten der ukrainischen Armee. Zumal nach Aussage der von uns befragten fachkundigen Spezialisten für strategische Waffen die russischen Atomstreitkräfte ständig und ununterbrochen im Zustand der vollen Einsatzbereitschaft sind - ohne jede Erklärung darüber.“