Visegrád-Staaten: Mehr Distanz zu Putin erwartet
Die EU hat schnell und geeint auf den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine reagiert. Dennoch erwarten Beobachter insbesondere von Ungarn und von Polen eine klarere Distanzierung zu Russland. Ist der Bruch des tschechischen Präsidenten Zeman mit seinem langjährigen Freund Putin mehr als reine Symbolpolitik?
Zeman erinnert an einen Kollaborateur
Von einem peinlichen Versuch Zemans, die Öffentlichkeit zu täuschen, spricht Hospodářské noviny:
„Die Fakten sind klar: Zeman hat auf der Prager Burg neun Jahre lang die Interessen Russlands verteidigt. Schlüsselwörter: Krim, Nowitschok, Rosatom, Sputnik-Impfstoff oder [die von ihm gestreuten Zweifel an der russischen Verwicklung in den Anschlag auf das Munitionsdepot im mährischen] Vrbětice. Wenn der Präsident jetzt behauptet, das sei alles ein Fehler gewesen, sich in eine ukrainische Flagge hüllt und sich als antirussischer Falke ausgibt, ist das völlig unglaubwürdig. Der heutige Zeman erinnert am ehesten an einen Kollaborateur, der 1945 schnell in die Uniform der 'patriotischen' Revolutionsgarden schlüpfte und begann, die Deutschen zu vertreiben.“
Jeder verdient eine zweite Chance
Durch seine Distanzierung von Putin setzt Zeman ein wichtiges Zeichen, meint Lidové noviny:
„Mit der Absicht, dem ukrainischen Präsidenten [statt Putin] den höchsten tschechischen Orden für Mut und Tapferkeit zu verleihen, unterstreicht Zeman seine Haltung. ... Zeman hat viel getan, um ein schlechtes Zeugnis zu verdienen. Sein Vertrauen in Putin war schlimmer als lediglich eine falsche Einschätzung, die fast jedem angelastet werden kann. Er hat damit auch die Alliierten und den eigenen Geheimdienst düpiert. Aber jetzt steht Zeman für die Verteidigung der Freiheit. Geben wir ihm die Gelegenheit, in seinem letzten Amtsjahr ein Besserer zu werden.“
Die Putinisierung Polens geht weiter
Gazeta Wyborcza traut der polnischen Regierung nicht über den Weg:
„Welche Gesten des guten Willens sehen Sie vonseiten der PiS-Partei? Wie zeigt sie den Wunsch, Unrecht zu korrigieren? Wann hat sie auch nur einen kleinen Teil der Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt? ... Die Antwort lautet: nie. Und sie tut es immer noch nicht. Im Gegenteil: Morawiecki und Duda wussten bereits im Spätherbst, dass Russland wahrscheinlich in die Ukraine einmarschieren würde, und sie empfingen Le Pen in Warschau in allen Ehren. Sie haben die Beziehungen zu Orbán gestärkt und distanzieren sich noch immer nicht von ihm, obwohl er sich heute offen auf die Seite Putins stellt. ... Diese Leute sind immer noch dabei, Polen zu putinisieren, und ihre Rhetorik hat sich unter dem Einfluss des Kriegs nur geringfügig geändert.“
PiS muss sich von Orbán lösen
Rzeczpospolita sieht die Chance für einen Bruch zwischen Warschau und Budapest:
„Die PiS wusste, dass sie sich einen Konflikt mit Brüssel leisten konnte, weil sie auf ein Bündnis mit Orbán zählen konnte, wenn in der EU Einstimmigkeit erforderlich war. Jetzt kann dies zu einer Belastung werden. Im entscheidenden Moment ist Orbán nicht in der Lage oder nicht willens, die Verbindungen zwischen ihm und Putin zu lösen, so dass die PiS dazu gezwungen ist, von Budapest nach Brüssel zurückzukehren.“