Ungarn sagt Visegrád-Treffen ab
Das geplante Treffen der Visegrád-Gruppe in Budapest wurde abgesagt. Polen und Tschechien wollten nicht teilnehmen, weil sich Ungarns Ministerpräsident nicht ausreichend von Russland distanziert. Die europäische Presse diskutiert, ob dies ein Aus für das V4-Format bedeutet.
Orbán verfolgt nur seine eigenen Interessen
Die Absage dürfte das Aus für die langjährige Kooperation bedeuten, schreibt die Süddeutsche Zeitung:
„[E]ine gemeinsame Sprache [ist] nicht mehr zu finden. Während Viktor Orbán sich in staatlichen ungarischen Medien beklagt, die Ukraine fordere quasi 'das Herunterfahren der gesamten ungarischen Wirtschaft', weil Kiew ein Öl- und Gasembargo gegen Moskau für zwingend halte, ist man in Polen und Tschechien entschlossen, alles zu tun, um Kiew zu helfen. ... Der Krieg hat gezeigt, dass Orbán nurmehr seine eigenen Interessen verfolgt. Schon in den vergangenen Jahren gab es kaum noch eine Visegrád-Gruppe, sondern zwei geteilte Lager: Ungarn und Polen schützten einander mit Vetos, die zwei anderen Staaten schwiegen meist dazu. Nun steht es drei zu eins. Für die Ukraine.“
Das peinliche Bild der V4
Die geopolitischen Ambitionen der Visegrád-Staaten scheitern an der unklaren Haltung gegenüber Moskau, betont auch die konservative Denník Postoj:
„Ungarns Viktor Orbán als derzeitiger Vorsitzender der Visegrád-Gruppe hat nicht einmal versucht, einen Konsens in Bezug auf die Ukraine und Russland zu finden. Er setzte auf die ungarischen Interessen – weil es ihm im Wahlkampf am besten passte. Damit distanziert er sich vom Rest der V4. ... Deshalb muss aber nicht der Stab über Visegrád gebrochen werden. Die Gruppe hat nach wie vor Potential, nicht nur in der Wirtschafts-, Energie- oder Kulturkooperation, sondern auch in politischen Agenden. ... Als geopolitischer Spieler gibt die V4 in der Stunde des ersten großen Tests allerdings ein sehr peinliches Bild ab.“