Brüssel: Einigung über Digital Services Act
Der europäische Rat und das Europarlament haben sich vorläufig auf das Gesetz über Digitale Dienste (Digital Services Act) geeinigt. Es verpflichtet Online-Plattformen, Marktplätze und Suchmaschinen, sicherzustellen, dass sie keinen illegalen Inhalte, Falschinformationen und Produkte verbreiten oder anbieten. Die Aufsicht obliegt der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten. Das Medienecho ist überwiegend positiv.
Endlich werden die Techgiganten gezähmt
Politiken ist begeistert:
„Die Beteiligten sprechen von einem neuen 'Goldstandard' für unsere Rechte im Internet und für die demokratische Kontrolle der Algorithmen, die heimlich den Verkehr und das, was Sie in Suchmaschinen wie Google und sozialen Medien wie Facebook, Instagram und Twitter sehen, kontrollieren. ... Das Entscheidende ist, dass die EU sich jetzt den grundlegenden Kampf mit den Tech-Giganten liefert, die unsere Gesellschaft mehr oder weniger ungezügelt auf den Kopf gestellt haben. Vieles daran ist zweifellos gut. Aber anderes war schädlich. Die Gewinnüberlegungen privater Unternehmen sind eben nicht immer gleichbedeutend mit gesellschaftlichen Überlegungen.“
EU braucht kein Wahrheitsministerium
Regierungen sollten nicht über die Legitimität von Informationsquellen entscheiden, warnt Die Presse:
„Gelingt den EU-Regierungen und dem Europaparlament eine Einigung zum Gesetz für digitale Dienste (DSA) und dem Gesetz für digitale Märkte (DMA), wird erstmals ein europaweit einheitlicher Rechtsrahmen entstehen, der Individuen im Internet schützt. Das ist positiv. Doch Teil des Plans ist es auch, die Nutzer vor Desinformation und Manipulation zu schützen. Damit betritt die EU gefährliches Terrain. Denn hier muss sie Kriterien festlegen, letztlich über Wahrheit und Unwahrheit entscheiden: eine Anmaßung. So notwendig es ist, Persönlichkeitsrechte online zu schützen, so gefährlich wäre es, wenn sich staatliche Organisationen in die Selektion von Informationsquellen einmischen.“
Historische Mission
Brüssel-Korrespondent des Handelsblatts Christoph Herwartz fordert, dass die EU das Gesetz nun konsequent umsetzt:
„Brüssel befindet sich damit auf einer historischen Mission, die derzeit niemand anders in dieser Weise vorantreiben könnte. Denn in den USA, die als Heimat der meisten sozialen Medien dafür verantwortlich wären, hat sich die Parallelgesellschaft schon zu weit ausgebreitet. Die Amerikaner setzten auf Europa, um das von ihnen mitverschuldete Problem zu lösen. Wichtig ist nun, dass die EU konsequent weitermacht. Sie muss genug Personal bekommen, um ihrem Anspruch gerecht zu werden. Sie muss Forscher finanzieren, um die Funktionsweise von Algorithmen noch besser zu verstehen. Sie muss bereit sein, ihr Gesetz immer wieder anzupassen.“
Gesetz kommt im richtigen Moment
Musks Twitter-Kauf zeigt, wie dringend die Funktionsweisen von sozialen Netzwerken abgesteckt werden müssen, betont Le Monde:
„Der Tesla-Chef glaubt, dass es keine rechtlichen Grenzen gibt für das, was man im öffentlichen Raum sagen darf. Doch die algorithmische Amplitude, die die sozialen Netzwerke Falschmeldungen und Hassrede verleihen, macht diese libertäre Haltung zu einem mächtigen Chaosfaktor. Die Übernahme durch Musk droht, die dürftigen Moderationsbemühungen, die Twitter in den letzten Jahren unternommen hat, zunichte zu machen. Der Digital Services Act, der bis 2023 in Kraft treten soll, kommt zur rechten Zeit. Er geht Herausforderungen an, die nicht allein von einer Handvoll Web-Bosse, so genial sie auch sein mögen, bewältigt werden können.“