Wahl in Nordirland: Historischer Sieg für Sinn Féin
Die republikanische, die Einheit Irlands befürwortende Partei Sinn Féin ist erstmals als Siegerin aus der Wahl zur Nordirischen Versammlung hervorgegangen. Allerdings muss sie sich gemäß des Karfreitagsabkommens von 1998 mit der pro-britischen Democratic Unionist Party auf eine gemeinsame Regierung einigen. Medien sehen ein klares Votum gegen die alten Spaltungen.
Pragmatismus ist gefragt
Der große Zuwachs für die Alliance Party, die weder dem republikanischen noch unionistischen Lager, sondern der Mitte zugeordnet werden kann, ist bezeichnend, glaubt Irish Independent:
„Die Menschen wollen den Abschied von Zukunftsbemühungen, die zu sehr auf die dunkle Vergangenheit der Insel fixiert sind, und sie wollen das enorme Potenzial dieser Insel und ihrer Menschen genutzt wissen. ... Wenn sie [die Politiker der führenden Parteien] glaubwürdig bleiben wollen, dann müssen sie sowohl Pragmatismus als auch Großzügigkeit an den Tag legen, um die Dinge im Norden ins Laufen zu bringen. ... Aber unmittelbar brauchen wir vor allem einen ermutigenden Ton.“
Provokationen vermeiden
Die angespannte Lage in Nordirland sollte jetzt nicht noch zusätzlich durch Sturheit angeheizt werden, ermahnt The Sunday Times die Wahlverlierer:
„Die DUP sollte die Spannungen nicht bockig mit einem Boykott der Regierungsbildung in Stormont [Sitz der Nordirischen Versammlung] verschärfen. Die derzeitige Version des Nordirland-Protokolls [Grenzregelung zum Brexit] mag unhaltbar sein, aber beide Hauptparteien in Nordirland müssen mit Westminster und Brüssel zusammenarbeiten, wenn sie eine langfristig funktionierende Lösung finden wollen. Die EU muss mit realistischem Blick auf die Probleme schauen, die sie hier kreiert hat und Johnson sollte von einseitig aufrührerischen Schritten, wie der Aussetzung des Protokolls seinerseits, absehen. “
Von der Fragmentierung der Rivalen profitiert
El País erklärt den Wahlausgang auch mit der Schwäche der pro-britischen Gegner:
„Die Unionisten haben ihr Schicksal selbst verschuldet. Sie unterstützten einen Brexit, der von der nordirischen Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt wurde. ... Hinter dem Vorwand des [Nordirland-]Protokolls [mit der EU] verbirgt sich in Wirklichkeit eine Identitätskrise des Unionismus. ... Sinn Féin konnte ihrerseits ihre Kerndoktrin, die Wiedervereinigung Irlands, in den Hintergrund stellen, um ihre Sorge über die hohen Lebenshaltungskosten, die Wohnungskrise und die Notwendigkeit politischer Stabilität zu vermitteln. Sie hat mehr Unterstützung erhalten als bei den letzten Wahlen, aber sie festigt ihren ersten Platz vor allem dank der Spaltung ihrer historischen Rivalen.“