Putin: Peter der Große als Vorbild?
Russlands Präsident Putin hat sein eigenes Handeln mit dem von Zar Peter dem Großen verglichen, dessen 350. Geburtstag am 9. Juni in Russland mit zahlreichen Feierlichkeiten begangen wurde. Ebenso wie Russlands Kaiser im Nordischen Krieg Teile Schwedens habe zurückholen und festigen wollen, sei Russland jetzt an der Reihe, Land zurückzuholen und für sich zu festigen. Europas Presse kann dem Vergleich wenig abgewinnen.
Ein verräterisches Lächeln
Die Bemerkungen des Kreml-Chefs waren in mehrerlei Hinsicht aufschlussreich, meint Hospodářské noviny:
„Putin machte deutlich, dass all das Gerede über Provokationen durch die Nato oder die Notwendigkeit, die Ukraine zu entnazifizieren, nur eine Tarnung der wahren Gründe für den Angriff auf die Ukraine war. Tatsächlich geht es um Gebietsansprüche. ... Erst die Schrecken des Zweiten Weltkriegs haben gewaltsam durchzusetzende Gebietsansprüche obsolet gemacht. ... Paradoxerweise versteht der Präsident eines Landes, das während des Zweiten Weltkriegs zig Millionen Menschen verloren hat, dies nicht. Es ist seltsam, dass die Ruinen von Mariupol niemanden im Kreml an Stalingrad erinnern. Putin fühlt sich auf einer Ebene mit Zar Peter, Bismarck oder Napoleon. Sein zufriedenes Lächeln darüber war kein schöner Anblick.“
Haltung des Westens spielt eine Rolle
Anders als Peter der Große verabscheut Putin alles, was aus dem Westen kommt, stellt Jornal de Notícias fest:
„Möglicherweise haben wir es mit einem ultimativen Putin zu tun, also mit einem letzten Führer, der seine Position noch immer auf den Unmut darüber stützt, dass die UdSSR - Großrussland - unweigerlich zerfiel. Was als Nächstes kommen wird, ist ungewiss. Ein noch kriegerischerer und gefährlicherer Führer für die Nachbarn im Westen? Emmanuel Macron und Olaf Scholz haben Recht, dass es wichtig ist, Russland nicht zu sehr zu demütigen. Warum? Nach dem Ende des Kalten Krieges war das Auftauchen eines Nationalisten wie Putin kein reiner Zufall. ... Das Verhalten des Westens gegenüber dem Kreml heute beeinflusst die künftigen Entscheidungen der Russen selbst.“
Mehrfach schiefes Bild
Jutarnji list schüttelt den Kopf:
„Diktatoren wie Putin verstehen nicht, dass Regeln, die im 18. Jahrhundert galten, 350 Jahre später nicht mehr gelten. Peter der Große lebte in Zeiten, in denen man mit Gegnern nicht verhandelte, sondern sie enthauptete. Zudem war sein Ziel, die russische Gesellschaft zu modernisieren und Russland zu einem europäischen Staat zu machen. Deshalb ging er in die Geschichte ein. Im Gegensatz zu Peter hat Putin Russland in den dunklen Despotismus gezwungen, und so wird in 350 Jahren über ihn geschrieben werden. Falls nicht er oder jemand wie er in der Zwischenzeit entscheidet, den Atom-Knopf zu drücken und das Ende der Geschichte zu beschleunigen, so dass niemand mehr darüber schreiben kann.“