Wirtschaftskrise in Russland?
Russland will seine Wirtschaft stärker auf Krieg ausrichten: laut Beschluss des Unterhauses sollen Unternehmen verpflichtet werden können, Waren und Dienstleistungen an das Militär zu liefern. Ob dies ein Anzeichen dafür ist, dass sich die russische Wirtschaft in der Krise befindet und die Sanktionen wirken, ist unter Kommentatoren umstritten.
Ohne Strategie
Gazeta Wyborcza widerspricht einem Bericht in The Economist über die russische Wirtschaftsleistung:
„Die angesehene und einflussreiche Wochenzeitung behauptet, dass die russische Wirtschaft wieder auf die Beine gekommen ist. Indes zeigen selbst offizielle russische Statistiken, dass sich das Land in einer tiefen Krise befindet. ... Vor allem in Regionen mit ausgeprägter industrieller Wirtschaftsstruktur ist mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen - aufgrund von Beschränkungen bei Exporten und Importen von Zwischenprodukten. ... Diejenigen, die sich in Putins Umfeld mit Wirtschaft befassen, fordern, dass etwas dagegen unternommen werden muss, dass eine Strategie entwickelt werden muss, um aus der Falle herauszukommen. Bislang liegen keine derartigen Vorschläge vor.“
Der Kreml muss jetzt stimulieren
Iswestija fordert reale Wirtschaftsförderung anstelle von Auflagen und Einsparungen:
„Während der ökonomische Blockadering immer enger wird, ist doch offensichtlich nicht der rechte Zeitpunkt, die Ausgaben zu kürzen. Im Gegenteil, es braucht Geld zur Unterstützung sowohl der Nachfrage wie auch des Angebots auf dem Binnenmarkt. Und zwar nicht nur des Angebots von Rohstoffproduzenten, sondern auch aller anderen. ... Vielleicht sollten wir mal probeweise vom gewohnten Paradigma abrücken und es der Wirtschaft ermöglichen, selbst in die richtige Richtung zu steuern, und dabei etwas Geduld beweisen? Und dabei leicht assistieren, anstatt Druck zu machen.“
Putin geht das Geld noch lange nicht aus
Die Sanktionen beeindrucken den Kreml kaum, bemängelt der Kurier:
„Den Flugzeugen in Russland gehen schön langsam die Ersatzteile aus dem Westen aus. Die Russen können also bald nicht mehr fliegen. Na dann. Ansonsten hat Putin alles, was man für eine Diktatur halt so braucht. Lebensmittel (um Hungerrevolten zu verhindern), Rohstoffe im Überfluss sowie Waffen und Munition. Und vor allem: Geld. Ein Teil der 600 Milliarden Dollar schweren Devisenreserven ist im Westen eingefroren; aber es fließt ständig neues nach. Und verknappt Putin das Gas, steigt der Preis und der Schatz im Kreml wird größer. … Das Hauptproblem bei all den Sanktionen ist, dass sie nicht zu Ende gedacht sind. Indien und China spielen nicht mit.“
Die Russen ticken anders
La Vanguardia reflektiert darüber, warum die Sanktionen die Russen nicht auf die Straße treiben:
„Die russische Bevölkerung ist nicht mit der europäischen vergleichbar. Die Bürger sind an Einschränkungen und Engpässe gewöhnt. Wer also annimmt, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen eine Bewegung auslösen könnten, die Putin stürzt, kennt die russische Mentalität nicht. ... Gleichzeitig ist zu bedenken, dass viele Russen die europäische Demokratie mit der Zeit verbinden, als das Land von Boris Jelzin regiert wurde, als eine Kombination aus politischer Korruption und Wirtschaftskrise eine Protestwelle auslöste. ... Putin wird sich kaum durch die wirtschaftlichen Auswirkungen von Sanktionen zu Fall bringen lassen.“