Serbien und Kosovo: Droht ein neuer Konflikt?
Die Barrikaden der serbischen Minderheit vor den kosovarischen Grenzübergängen sind wieder abgebaut, aber die Lage bleibt angespannt: Die Regierung des Kosovo hat ihr Vorhaben, serbische Dokumente an der Grenze nicht mehr zu akzeptieren, um einen Monat vertagt - laut Pristina reagierte man nur auf analoge Maßnahmen Belgrads. Die Verschärfung der Lage in der Region hat Kalkül, kommentiert Europas Presse.
Vučić hält sich für unentbehrlich
Die Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo dienen vor allem dem Machterhalt des serbischen Präsidenten Vučić, meint die Wochenzeitung Dilema Veche:
„Präsident Aleksandar Vučić, ein früherer Politruk mit rechtsextremer Überzeugung, der mit Slobodan Milošević in einer Regierung war, versucht mit gewissem Erfolg, sich als unentbehrlich für die Lösung der Probleme in der Region zu positionieren. Mit Problemen wie den jüngsten Unruhen im Kosovo, zu denen er zunächst ermutigt hat, um wenig später klug zu ihrer Lösung beizutragen. Bis zum nächsten Mal. Als politisches Profil ähnelt Vučić in diesen Tagen mehr einem Viktor Orbán als einem Milošević. Und seine einzige Sorge scheint der Machterhalt zu sein.“
Westbalkan wird zur Risikozone
Die internationale Wetterlage macht auch eine regionale Einigung schwieriger, analysiert Diena:
„Akzeptable, aber selbst dann meist nicht dauerhafte Kompromisse auf dem Balkan lassen sich nur unter Einbeziehung eines breiten Spektrums interessierter Länder finden: den USA und europäischen Ländern, Russland, der Türkei, China, aber auch den arabischen Ländern des Persischen Golfs. Doch zur Zeit werden die Gegensätze zwischen den führenden westlichen und nicht-westlichen Akteuren eher stärker und Kompromisse immer schwieriger, was den Balkan zur Risikozone macht. Und da auf internationaler Ebene gerade keine Einigung in Sicht ist, bleibt nur zu hoffen, dass der Balkan selbst die Risiken und die Lage richtig einschätzen wird.“
Russland zündelt am Pulverfass Balkan
Postimees fürchtet, dass hinter den Zusammenstößen zwischen Serben und kosovarischer Polizei mehr steckt als ein Streit um Papiere und Nummernschilder:
„Jedes Mal, wenn Europa den Balkan für eine Weile vergisst, wird es wieder an ihn erinnert. Da die Blicke der Europäischen Union seit Februar in Richtung Ukraine gerichtet sind, bekommen die Balkanländer weniger Aufmerksamkeit als sonst. ... Sobald die EU den Balkan vergisst, ist Russland zur Stelle. Es unterhält warme Beziehungen zu den slawischen Serben und erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an. ... Der Westen befürchtet wiederum, dass Russland Serbien ausnutzt, um den Balkan zu destabilisieren und damit die Aufmerksamkeit vom Krieg in der Ukraine abzulenken.“
Serbien balanciert zwischen Moskau und Brüssel
Serbien will sich geopolitisch nicht festlegen, so Polityka:
„Serbien, das offiziell der EU beitreten möchte, versucht, zwischen den beiden Welten zu balancieren. Es nimmt bereitwillig Geld von der EU an und bekennt sich zu den Werten der EU. ... Andererseits beteiligt sich Vučić nicht am Kreuzzug des Westens gegen Russland. Serbien hat seinen Luftraum nicht für russische Flugzeuge gesperrt, und die Russen machen weiterhin Geschäfte in Serbien. ... Was im Kosovo geschieht, muss sehr genau beobachtet werden. Denn es ist möglich, dass der Westen auch hier in irgendeiner Form angegriffen werden wird. Direkt - wahrscheinlich durch einige lokale Nationalisten. Indirekt - abermals durch Putin.“