Wie stehen die Chancen für ein Abkommen mit Iran?
Bei den Atom-Verhandlungen mit dem Iran könnte eine Entscheidung bevorstehen: Teheran hat seine Antwort auf einen Vertragsentwurf der EU geschickt. Ein Wegfall der Sanktionen gegen den Iran würde den Öl- und Gasmarkt entspannen. Politisch würde zwar ein Dauerkonflikt wegfallen, aber die Spannungen zwischen den USA und anderen Ländern des Nahen Ostens könnten zunehmen. Kommentatoren sind sehr skeptisch.
Unter Zugzwang
Nun gibt es keine andere Wahl, als dem Iran weitere Zugeständnisse zu machen, kommentiert die Nahost-Korrespondentin der Tageszeitung Die Welt, Christine Kensche:
„Schuld daran ist Donald Trump. ... Seit Trump das Abkommen aufgekündigt hat, hat der Iran 18 Mal mehr Uran angereichert und die Durchbruchszeit für genug Material für eine Atombombe von etwa einem Jahr auf wenige Wochen verringert. ... Entweder gibt es ein neues Abkommen oder Krieg, darauf läuft es letztlich hinaus. Der Westen ist mit der Ukraine, Gaspreisen und Inflation beschäftigt. Noch einen Krieg kann sich keiner leisten, selbst Israel nicht, dessen Militär trotz anderslautender Rhetorik noch nicht vorbereitet ist. Teheran weiß das und so kann es gelassen weiter Forderungen stellen.“
Teheran nutzt die Energiekrise
El País mahnt zur Vorsicht:
„Angesichts der steigenden Energiepreise ist eine Rückkehr des iranischen Öls auf den Markt Musik in den Ohren Europas. ... Teheran, das seit der Revolution von 1979 mit Sanktionen zu kämpfen hat, versucht, die Situation zu seinem Vorteil auszunutzen. Daher ist Vorsicht geboten. ... Im diplomatischen Sprachgebrauch heißt es, dass nichts abgeschlossen ist, bevor nicht alles abgeschlossen ist.“
Ajatollahs am langen Hebel
Dass Teheran am Ende einlenkt, hält Diena für unwahrscheinlicher als 2015:
„Das Hauptproblem besteht darin, dass sich die geopolitische Situation heute erheblich von der Situation im Jahr 2015 unterscheidet: Vor sieben Jahren gab es für den Iran keine Alternativen zur Normalisierung der Beziehungen zum Westen. … Unter den Bedingungen der globalen geopolitischen Konfrontation gibt es nun eine Alternative. Klar ist auch, dass die Sympathien der iranischen Ajatollahs nicht auf Seiten des Westens liegen und Teheran dementsprechend die meisten seiner geopolitischen Wetten auf die Zusammenarbeit mit Peking und Moskau setzt.“
Rushdie-Attentat wiegt schwer
El Periódico de Catalunya sieht viele Hindernisse für eine Rückkehr der USA zum Abkommen von 2015:
„So hat die kriminelle Messerattacke auf Salman Rushdie durch einen US-Amerikaner schiitischen Glaubens denjenigen Auftrieb gegeben, die den Iran immer noch als Teil der 'Achse des Bösen' betrachten. ... Das iranische Regime hat den Angriff auf Rushdie zwar nicht gerechtfertigt, es erhält die Fatwa aber aufrecht, was einem günstigen Klima nicht förderlich ist. ... Die EU wird die Regierung von Ebrahim Raisi davon überzeugen müssen, dass ein solches Abkommen nicht auf seiner rechtlichen Wirksamkeit, sondern auf dem gegenseitigen Vertrauen der Unterzeichner beruht.“