Italien: Ist Giorgia Meloni konkurrenzlos?
In Italien scheint ein Sieg der postfaschistischen Fratelli d'Italia unter Giorgia Meloni bei der Parlamentswahl am 25. September immer wahrscheinlicher. Ihre Partei führt in allen Umfragen mit rund 25 Prozent. Der zweitplatzierte sozialdemokratische Partito Democratico mit Spitzenkandidat Enrico Letta kommt zwar auf 20 bis 22 Prozent, hat aber im Gegensatz zu Meloni kein starkes Wahlbündnis hinter sich.
Schwer vermittelbare Gefahr
Der Aufstieg von Giorgia Meloni ist wohl unausweichlich, befürchtet La Repubblica:
„Meloni könnte sogar versuchen, sich von den parakriminellen Randgruppen ihrer Anhängerschaft zu lösen. Was bleibt, ist, dass eben dieses Milieu in ihrer Jugend ihre Geisteshaltung geprägt hat. ... Die Befürchtung, dass sie im Regierungspalast die gemeinsamen Werte des republikanischen Zusammenlebens vernachlässigen oder gar verletzen könnte, ist also nicht unberechtigt. Nur leider lässt sich das kaum vermitteln. … Es ist leicht, auf Kundgebungen Gott, Vaterland und Familie anzurufen und Stimmen zu holen, indem man weniger Steuern für alle, mehr Sicherheit und weniger Einwanderer verspricht. Warnungen vor der Gefährdung der Werte des republikanischen Zusammenlebens verhallen stattdessen in der Gleichgültigkeit.“
Zerstrittene und konturlose Gegner
Italien fehlen offensichtlich attraktive moderate Alternativen, stellt La Vanguardia fest:
„Während in Spanien oder Deutschland die traditionelle Rechte weiterhin als Damm gegen die Ultras wirken kann, sind Italien die moderaten Bezugspunkte im konservativen Lager ausgegangen. Nur die Linke hatte eine Chance, den giftigen Dreizack von Meloni, Salvini und Berlusconi zu stoppen. Das Problem ist, dass sie sich immer noch in Spaltung und Selbstzerstörung übt. Die italienischen Progressiven [Partito Democratico, PD] verstecken sich derweil hinter der Figur eines Bankiers wie Mario Draghi. ... Der Rückgriff auf Technokraten mag in einem kritischen Moment klug gewesen sein, aber das Festhalten daran könnte die PD daran hindern, mit Gleichgesinnten zu koalieren.“
Einkehr für MItte und Linke auf der Oppositionsbank
Auch Krytyka Polityczna glaubt nicht an eine politische Trendwende in letzter Minute:
„An politischen Alternativen mangelt es in Italien nicht - die Wähler können eine Vielzahl von Parteien wählen, vom pro-europäischen Mitte-Mainstream bis hin zu einer Allianz aus Stalinisten und Nationalisten. Dennoch werden sich die meisten wahrscheinlich für das Triumvirat Meloni, Salvini und Berlusconi entscheiden, was für Italien und Europa eine Katastrophe bedeutet. Den Rechtspopulisten ist es besser gelungen, aus der Anti-System-Stimmung und der Unzufriedenheit mit dem Siechtum der italienischen Politik Kapital zu schlagen. Sowohl die Linke als auch die Mitte müssen daraus Lehren ziehen, aber bis zur Wahl bleibt nur noch wenig Zeit, so dass der Denkprozess allenfalls auf der Oppositionsbank stattfinden wird.“