Netanjahu: Comeback mit Israels Ultrarechten

Die konservative Likud-Partei von Benjamin Netanjahu hat die Knesset-Wahl in Israel mit 32 von 120 Sitzen klar gewonnen. Auf Platz zwei landete mit 24 Sitzen die liberale Partei Yesh Atid von Premier Jair Lapid, dessen "Anti-Netanjahu-Koalition" im Juni zerbrochen war. Netanjahu will erneut mit den Orthodoxen und zudem mit den ultrarechten religiösen Zionisten eine Koalition bilden, die eine Mehrheit von 65 Sitzen hätte. Die Presse ist besorgt.

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Dnevnik (SI) /

Beunruhigendes Monopol

Es gibt in Israel praktisch keine Linke mehr und die Politik rückt immer weiter nach rechts, bedauert Dnevnik:

„Netanjahu wird seine neue Regierung mit den Stimmen einer Partei unter Führung des rechtsextremen Abgeordneten Itamar Ben-Gvir bilden. Selbst im sehr breit verstandenen Spektrum rechter israelischer Politik galt Ben-Gvir als Ausgestoßener. Aufgrund seiner politischen Ansichten wurde er von der Rekrutierungsbehörde der israelischen Armee abgelehnt und durfte seinen Militärdienst nicht leisten. Er galt als zu gefährlich, um eine Uniform und ein Gewehr zu tragen. … Es gibt keine Alternative. … Die Rechte hat ein Monopol auf die israelische Politik, und die Linke ist der Politik überdrüssig geworden.“

Népszava (HU) /

Kein Bedarf an Moral und politischer Korrektheit

Netanjahu schert sich nicht um demokratische Spielregeln, meint Népszava:

„Die größte Innovation und Gefahr des Rechtspopulismus besteht darin, dass dessen Vertreter erkennt haben, wie man die demokratischen Spielregeln umgeht. Es werden keine Programme gebraucht: auch der große Rückkehrer, Benjamin Netanjahu, der Wahlsieger in Israel, hat kein wirtschaftspolitisches Programm präsentiert, stattdessen hat er nur an die Emotionen der Menschen appelliert. ... Es gibt keinen Bedarf mehr an Moral oder an politischer Korrektheit. Netanjahu war sogar bereit, sich mit den rassistischen ultra-radikalen Rechten zusammenzutun.“

Rzeczpospolita (PL) /

Abhängig von Russland

Rzeczpospolita ist besorgt über die Haltung der israelischen Regierung zur Ukraine:

„Israel ist weder an der Verhängung von Sanktionen gegen Russland noch an der Lieferung von Waffen an die Ukrainer beteiligt - dabei verfügt es in deren Produktion über Know-how wie kaum ein anderes Land. Das bedeutet, dass es unterm Strich nicht auf der Seite des Westens steht. Dies war bereits unter der vorherigen Regierung der Fall und könnte unter der nächsten Regierung noch stärker zum Tragen kommen. ... Es ist verständlich, dass Israel um seine Sicherheit besorgt ist. Die Folge ist jedoch die Abhängigkeit von Russland, das Israel mit Konsequenzen droht, sollte es sich auf die Seite der Ukraine schlagen.“

Rzeczpospolita (PL) /

Historischer Rechtsruck

Netanjahus Kabinett wird rechter denn je, erläutert Rzeczpospolita:

„Seine rechtsgerichtete Likud-Partei gewann deutlich, was keine Überraschung war. ... Überraschend ist der Erfolg der extrem nationalistischen Liste Religiöser Zionismus, die 14 Sitze errang. Sie wird Koalitionspartner in Netanjahus neuer Regierung werden, neben bewährten Verbündeten: den beiden religiös-orthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum. Zusammen verfügen diese vier Fraktionen über 65 Sitze. Dies ist eine komfortable Mehrheit, von der Netanjahu in den letzten Jahren nur träumen konnte. ... Das bedeutet die Bildung der am weitesten rechts stehenden Regierung in der Geschichte des jüdischen Staates.“

Mediapart (FR) /

Viele Ziele, keine Skrupel

Der Wahlsieger scheut keine Mittel, wieder an die Macht zu gelangen, beobachtet Mediapart:

„Zwischen ideologischer Erblindung, brennendem Verlangen nach einer politischen Revanche gegen die, die ihn vertrieben hatten, und dem verbissenen und trivialen Wunsch, den Klauen der Justiz zu entkommen - es ist schwierig, in dieser Wahlschlacht die tiefliegenden Beweggründe Netanjahus auseinanderzuhalten. Eines ist klar: In der Opposition ist er so skrupellos wie an der Macht. Um sich eine Mehrheit zu sichern und Verbündete in seinem Kampf gegen die Richter zu gewinnen, zögert er nicht, sich mit rassistischen Siedlern und manipulierenden und demagogischen Rabbinern zu umgeben, die es gewohnt sind, die Triebfedern der Religion einzusetzen, um die Massen zu mobilisieren.“

Neue Zürcher Zeitung (CH) /

Eine Gefahr für die Demokratie

Dem vielfachen Ex-Premier geht es schon lange nicht mehr um das Wohl Israels, meint die Neue Zürcher Zeitung:

„Sein oberstes Ziel ist es, die Prozesse wegen Korruption, Veruntreuung und Betrug, die gegen ihn laufen, zu stoppen. Und weil sich immer mehr ehemalige Verbündete aus dem Mitte-rechts-Lager von ihm distanziert haben, hat er sich dem rechten Rand angenähert. … Oberflächlich geben sich Netanjahus Koalitionspartner in spe derzeit noch gemässigt. … Sie werden aber auf eine Schwächung der demokratischen Institutionen hinarbeiten und damit ein Umfeld schaffen, in dem die Freiheiten von Minderheiten und Andersdenkenden kleiner werden und der Staat ein zunehmend illiberales Gesicht bekommt.“

Večernji list (HR) /

Gegenüber Russland nicht mehr neutral?

Večernji list fragt sich, ob Netanjahu tatsächlich Israels Abwendung von der Neutralität gegenüber Russland einleiten will:

„Viele Israelis, die Sympathien der Ukraine gegenüber haben, stimmten für Netanjahu, da er im Wahlkampf immer betonte, er stehe auf der Seite der Ukraine und des ukrainischen Volkes und würde eventuell Waffenlieferungen in Betracht ziehen. ... Jetzt liegt es an ihm, das Versprechen einzulösen. Dies wäre eine Abweichung von seiner lange unveränderten Position, dass Israel neutral gegenüber der russischen Invasion bleiben sollte - um weiterhin iranische Ziele in Syrien angreifen zu können, dessen Himmel von Russland kontrolliert wird. Eine Waffenlieferung an die Ukraine könnte verheerend für Israel sein, sollte Russland den Himmel über Syrien für dessen Bomber sperren.“

liga.net (UA) /

Konfrontation mit Moskau unwahrscheinlich

Israel wird es schwerfallen, die bisher gute Zusammenarbeit mit Russland in Syrien aufzugeben, stellt liga.net fest und zitiert dabei den Politologen Ilija Kusa:

„Bislang stärkt die Reduzierung des russischen Kontingents nur die Position Irans. Deshalb brauche Israel Unterstützung, um Teheran in Syrien in Schach zu halten. 'Es gibt dort keine anderen Akteure: Da sind nur Russland, die Türkei und die USA. Für Israel war die Zusammenarbeit mit Russland in Syrien ideal', erklärt der Experte, 'man hat sich verstanden, man hat Kommunikationskanäle, regelmäßige politische Kontakte'. ... Mit anderen Ländern hat Israel nicht so eine Zusammenarbeit aufgebaut.“

Süddeutsche Zeitung (DE) /

Eine Gesellschaft am Scheideweg

Bei diesen Wahlen geht es um viel, betont der Israel-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Peter Münch:

„Lapid steht als Chef der liberalen Zukunftspartei [Jesch Atid] für die Suche nach Kompromissen in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft. ... Es ist das Gegenmodell zur populistischen Politik Netanjahus, der insgesamt schon 15 Jahre lang regiert hat und nun wieder nach dem Premiersamt greift. ... Die Israelis müssen sich entscheiden: Zwischen einer rechts-religiösen Regierung, die allein auf Stärke setzt und damit den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht. Oder einem instabilen, weil heterogenen Bündnis, das jedoch für Pluralismus steht und demokratische Kompromisse. Ein paar Tausend Stimmen, ein Parlamentssitz hin oder her, können am Dienstag den Ausschlag geben über Israels Zukunft.“

La Stampa (IT) /

Keine Stabilität in Sicht

La Stampa sieht Netanjahu mit einer sehr brüchigen Mehrheit:

„Der Rechtsblock des ehemaligen Premierministers liegt in allen Umfragen in Führung. Doch nicht weit genug vorn, um dem Likud-Chef die numerische Mehrheit und damit die Übernahme der Regierung des Landes zu garantieren. … Die Wahlbeteiligung der israelischen Araber und religiösen Juden wird entscheidend sein, vor allem in einem zersplitterten Szenario, in dem jede kleine Stimmenverschiebung zwischen Koalitionen, aber auch innerhalb derselben Partei, das Erreichen der Mehrheit von 61 der 120 Knesset-Sitze gefährden kann.“