MH17-Abschuss: Lebenslang für 298-fachen Mord
Acht Jahre nach dem Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 mit 298 Toten ist nun in Amsterdam das Urteil gefallen: Zwei russische Staatsbürger und ein Ukrainer erhielten lebenslange Haftstrafen und müssen 16 Millionen Euro Entschädigung zahlen. Sie sollen ein Buk-Luftabwehrsystem aus Russland in die Ostukraine gebracht und damit die malaysische Boeing abgeschossen haben. Kommentatoren sehen eine wegweisende Entscheidung.
Auch die Befehlsgeber bestrafen
Dem Amsterdamer Urteil müssen weitere Schritte folgen, fordert Politologe Wolodymyr Fessenko in einem Facebook-Post:
„Der Schuldspruch steht für die Notwendigkeit, alle Kriegsverbrecher des aktuellen Krieges zu bestrafen. Auf jeden Fall ist ein notwendiger Präzedenzfall geschaffen worden. Nun muss man den nächsten Schritt gehen. Es reicht nicht, nur die Täter zu verurteilen. Man muss vor allem die Drahtzieher dieser Untaten bestrafen, die Befehlsgeber dieses verbrecherischen Krieges und des massiven Beschusses friedlicher Städte.“
Aktuelle Verbrechen vor Gericht bringen
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht in dem Urteil eine Handlungsaufforderung:
„Das Verfahren zum Abschuss von MH17 sollte als Anstoß dazu dienen, schon jetzt mit der juristischen Aufarbeitung ... [der aktuellen] Untaten zu beginnen. Nichts spricht angesichts des Umfangs der Taten dagegen, vor einem Ende der Kämpfe ein spezielles internationales Tribunal zu schaffen, das die Fakten dokumentiert und erste Verfahren gegen bekannte Täter einleitet. Das würde die Chancen erhöhen, dass sie irgendwann tatsächlich büßen müssen.“
Triumph für den Rechtsstaat
Mit Beharrlichkeit und Fairness hat die Wahrheit gesiegt, lobt die Süddeutsche Zeitung:
„Der Kreml ... präsentierte lediglich 'alternative Fakten', mit dem alleinigen Ziel, die offensichtliche Wahrheit zu zerstören, Zweifel zu säen, Irritation auszulösen. Es gibt nur ein adäquates Mittel gegen dieses perfide Vorgehen: eine vertrauenswürdige, unabhängige Justiz, mit all ihrer Beharrlichkeit. Und der Fairness, einen der Angeklagten, der nur sehr indirekt am Abschuss beteiligt war, freizusprechen. Für den Rechtsstaat - und, so hoch muss man das hängen: auch für den liberalen Westen - ist dieses Urteil ein Triumph. Die Wahrheit hat gesiegt.“
Eine Antwort auf Barbarei
Ein vorbildlicher Prozess, urteilt De Volkskrant:
„Mit dem Prozess hat der Rechtsstaat die Barbarei pariert, der 298 Menschen zum Opfer fielen. ... Der Anstand und der lange Atem des Rechtsstaates haben mehr Eindruck gemacht als die Lügen und die Gewissenlosigkeit der Täter. Der Freispruch eines Angeklagten erhöht noch den Wert des Prozesses. ... Für die Angehörigen war dies ein wichtiger Teil, wenn nicht gar der Abschluss des Prozesses der Aufarbeitung. Inzwischen wütet schätzungsweise 2000 Kilometer östlich der Niederlande noch immer der Krieg, für den der Abschuss von MH17 nur der erste Akt war.“
Spur nach Russland bestätigt
Auch Befehlsketten schützen nicht vor Verurteilung, betont De Standaard:
„Für die Täter ist nun geklärt, dass sie selbst bei einem solch komplexen Anschlag wie diesem, bei dem eine undurchsichtige Befehlskette im Spiel ist, ihrer Verurteilung nicht entkommen können. Und dann ist da noch der Wert des Urteils in internationaler Hinsicht. Russland leugnete, dass es 2014 eine Rolle spielte im Krieg in der Ukraine - seine Version war, dass die östlichen Separatisten auf eigene Initiative handelten. Mit der Verurteilung der zwei Russen wird diese Verbindung nun formell aufgedeckt. Vor dem Hintergrund der unverhohlenen russischen Invasion, ist das Urteil zu MH17 relevant. “
Auf die Anklagebank gehört Putin
Russland hat seinen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine nicht erst vor neun Monaten begonnen, bemerkt der Tages-Anzeiger:
„Der Krieg fing spätestens mit der russischen Annexion der Krim im Frühjahr 2014 und mit der Unterstützung aus Moskau für die Söldner im Osten der Ukraine an. … Das Gericht in Amsterdam lässt jetzt keine Zweifel daran, dass die Söldner im Osten der Ukraine von Moskau munitioniert und gesteuert werden. … Zwei der Verurteilten verstecken sich in Russland und werden ihre Haftstrafen nicht antreten müssen, der dritte kämpft angeblich gegen die Ukraine. Ohnehin hätte Wladimir Putin in Amsterdam vor Gericht sitzen müssen. Ohne seinen Krieg gegen die Ukraine könnten die Passagiere an Bord der MH17 heute noch leben.“