Iran: Auflösung der Sittenpolizei?
Laut Angaben iranischer staatlicher Medien, die sich auf Generalstaatsanwalt Mohammed-Dschafar Montaseri berufen, wurde die iranische Sittenpolizei aufgelöst. Sie wird für den Tod Mahsa Aminis verantwortlich gemacht, der die landesweiten Proteste im Iran ausgelöst hatte. Kommentatoren glauben nicht, dass sich die Protestierenden, die längst den Sturz des Ayatollah-Regimes fordern, damit beschwichtigen lassen.
Eher eine Finte
ABC fürchtet, dass der Ankündigung wenig folgen wird:
„Sie ist eine Antwort auf die unaufhaltsame Beharrlichkeit der Demonstrationen. ... Die iranische Staatsanwaltschaft hat jedoch bereits deutlich gemacht, dass sich die Justiz weiterhin für die Aufrechterhaltung der bestehenden Anstandsregeln im öffentlichen Raum einsetzen wird. Solange der repressive strafrechtliche Rahmen des Regimes der Ayatollahs nicht abgebaut wird, der auf einer brutalen, mittelalterlichen, an der Scharia ausgerichteten Strenge beruht, wird die Abschaffung der Sittenpolizei wenig nützen. ... Die Ankündigung scheint eher ein Versuch zu sein, die Proteste zu beschwichtigen und dabei alles so zu lassen, wie es ist.“
Die Menschen wollen mehr
Dass die Proteste nun vorbei sein könnten, bezweifelt The Daily Telegraph:
„Angeführt von Frauen, die vielfach ihre Kopftücher verbrannt haben, könnten die Protestierenden, die nun einen Vorgeschmack auf die Freiheit bekommen, die sie sich so herbeigesehnt haben, möglicherweise mehr fordern, statt zufrieden nach Hause zurückzukehren. ... Sobald Proteste ernst werden, stehen Diktatoren immer vor dem gleichen Dilemma: hart durchgreifen und eine noch schlimmere Gegenreaktion provozieren, oder etwas lockern und riskieren, dass sich die Menschen erheben, um dich zu stürzen. Sollte für die iranische Theokratie letztere Situation eintreten, ist sie selbst daran schuld.“
Der Westen muss handeln
Es ist jetzt mehr denn je notwendig, den Aufstand im Iran, der Freiheit und Demokratie und ein Ende der Diktatur der Islamischen Republik fordert, mit mehr Überzeugung zu unterstützen, mahnt La Repubblica:
„Die Unterstützung dieses Aufstandes ist für den gesamten Westen von strategischem Interesse angesichts eines Irans, der nicht nur seine eigene Jugend tötet, sondern auch Instabilität und Terrorismus in den gesamten Nahen Osten exportiert und mit seinen Drohnen Zivilisten in den Städten der Ukraine tötet. Es bedarf eines Tempowechsels im politischen und diplomatischen Handeln des gesamten Westens, getragen von dem festen Glauben, dass ein Regimewechsel im Iran eine konkrete Möglichkeit ist.“