Lizenzentzug für russischen Exil-Sender: Richtig so?

Lettland hat dem nach Riga gezogenen russischen TV-Kanal Doschd die Sendelizenz entzogen, weil er die nationale Sicherheit gefährde. Der bisher als Kreml-kritisch geltende Sender hatte die Krim auf einer Karte als Teil Russlands gezeigt und der Moderator Alexej Korosteljow hatte live seine Hoffnung ausgedrückt, Doschd habe dazu beitragen können, russische Soldaten besser auszustatten. Doschd entließ Korosteljow und entschuldigte sich – vergeblich.

Alle Zitate öffnen/schließen
Meduza (RU) /

Riga spielt Putin in die Hände

Das ebenfalls in Lettland ansässige russische Exil-Medium Meduza kritisiert die Entscheidung in einem offenen Brief, dem sich viele oppositionelle russische Medien und Journalisten angeschlossen haben:

„Die Antikriegshaltung des Senders ist offensichtlich, seine kritische Haltung gegenüber Putins Regime ebenfalls; die Bedeutung von Doschd als Gegenpol zur russischen Propaganda ist enorm. Hinter den Parolen von der 'nationalen Sicherheit' versteckt sich eine Entscheidung, die der Redefreiheit einen schweren Schlag versetzt. ... Mit dem Verbot von Doschd unterstützen die lettischen Behörden den Kreml bei seinem Bemühen, Russlands unabhängige Medien vollständig zu zerstören.“

Delfi (LT) /

Kein Alleingang

Delfi glaubt nicht, dass Moderator Korosteljow ohne Absprache mit seinen Vorgesetzten handelte:

„Zum einen ist dies nicht Doschds erster Rigaer Knicks vor dem kaiserlichen Russland. Zum zweiten weiß jeder Journalist, dass ein Moderator nicht einfach auf Sendung gehen und eine Spendenaktion starten kann. Selbst wenn es für Kinder wäre. Ganz einfach, weil er technisch nicht in der Lage wäre, eine solche Aufgabe ohne redaktionelle Unterstützung zu bewältigen. ... Doschds Verantwortung ist auch deshalb klar, weil Korosteljow das Pronomen 'wir' verwendete. Chefredakteur Dziadko lügt. ... Auf die Frage, wem die Krim gehöre, twitterte der gute Russe Dziadko am 28. April 2014 ungefragt: 'Krim, willkommen in Russland'.“

Neatkarīgā (LV) /

Untragbar geworden

Für Neatkarīgā konnte es keine andere Entscheidung geben:

„Der Krieg verzeiht keine Fehler. Es gab bereits zwei Verwarnungen vom Nationalen Rat für elektronische Massenmedien (NEPLP). ... Doschd muss ersetzt werden, weil die lettischen Behörden der Redaktion sowieso nicht erlauben werden, weiterzuarbeiten [Anm. d. Red.: Text ist vor der Entscheidung erschienen]. Allerdings nicht, weil in Lettland eine Art Rassismus gegen alles herrschen würde, das Spuren des Russentums enthält, sondern weil Lettland keine Toleranz gegenüber Manifestationen des russischen Imperialismus und der Unfähigkeit, sich klar zu positionieren, zulassen darf.“

Gordonua.com (UA) /

Nicht mehr das Doschd von einst

Der oppositionelle russische Journalist Alexander Newsorow unterstützt auf gordonua.com das lettische Vorgehen:

„Man muss leider erkennen, dass der Kanal ein Wendehals ist. ... Ich möchte Sie daran erinnern, dass man den Sender lange als 'kremlfeindlich' und unabhängig eingestuft hatte. Gleich zu Beginn des Krieges hat er gehorsam 'die Waffen gestreckt' und fünf blutige Monate lang verdächtig geschwiegen und jetzt fängt er an, sich zu artikulieren. Die vagen (unbedeutenden) Erklärungen und Entschuldigungen des Chefredakteurs sollte man nicht ernst nehmen. Sich mit der Frage zu beschäftigen, ob sie Doschd gekauft oder eingeschüchtert haben, macht keinen Sinn.“

Kirill Rogov (RU) /

Wer Russen pauschal verurteilt, bestätigt Putin

Der Journalist Kirill Rogow mahnt auf Facebook, Doschd nicht mit plumpen Kategorien zu messen:

„So schwerwiegend dieser Fehler auch war, er ändert nichts an der grundlegenden Tatsache, dass Doschd neben Meduza der effektivste Kanal zur Verbreitung von Anti-Putin- und Anti-Kriegs-Ideologie in Russland ist. ... Die Schärfe der Reaktion auf den Fehler von Doschd konfrontiert uns mit der heute in der Welt gängigen Meinung, es gebe keine guten Russen, und wenn man etwas kratze, könne (und solle) man in jedem 'Russen' einen 'versteckten Imperialisten' finden. ... Paradoxerweise vertritt dieser Diskurs dieselbe Idee, die auch der Kreml propagiert: Putin ist Russland. Diese Debatten lassen keinen Platz für das 'andere Russland'.“

Nikolai Mitrochin (RU) /

Auch ein Schal erhöht die Kampfkraft

Der in Bremen arbeitende Politologe Nikolai Mitrochin sieht auf Facebook die Mitleidsgrenze durch Doschd überschritten:

„Mit dem Aufruf, Mobilgemachten einen Schal oder Handschuhe zu schicken, trägt man dazu bei, die Kampfkraft der russischen Armee zu erhöhen. Und zwar genau um die Anzahl Stunden, die ein Soldat, der durch diesen Aufruf einen Schal erhalten und eine Erkältung vermieden hat, die Befehle seiner Vorgesetzten erfüllen kann, selbst wenn er noch nicht im Schützengraben liegt, sondern nur auf dem Exerzierplatz Schnee fegt. ... Genau so bewertet die russische Seite die Hilfe ukrainischer Freiwilliger für ihre Armee - weshalb sie rücksichtslos gefangengenommen und hart behandelt werden.“