EU will Westbalkan enger an sich binden
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen den Beitrittsprozess für den Westbalkan beschleunigen. Voraussetzungen seien "glaubwürdige Reformen" in Albanien, Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Kosovo sowie deren Unterstützung der Sanktionen gegen Russland. Zudem sollen die Länder laut Gipfelbeschluss in Tirana eine Milliarde Euro gegen die Energiekrise erhalten. Was tut nun not?
Mehr Mut zum Risiko
Bei der Integration des Westbalkans fehlt der Mut für ungewöhnliche Schritte, kritisiert die Frankfurter Rundschau:
„Bei der Aufnahme von Bulgarien und Rumänien hat Brüssel nicht ganz so genau hingeschaut und gehofft, die Defizite besser bearbeiten zu können, wenn das Duo Teil des Staatenbundes ist. So einfach ist es im Südosten des Kontinents natürlich nicht. ... Doch wer wirklich Fortschritte in den sechs Balkanstaaten erzielen will, muss auch Risiken eingehen. Sonst wird man die unterschiedlichen Aufnahmeprozesse der Kandidaten nicht beschleunigen.“
Erweiterung ist im Interesse aller
Eine entschlossene EU wünscht sich die regierungsnahe Magyar Nemzet:
„Der Westbalkan könnte erneut zum Pulverfass Europas werden, wenn man ihm keine wirkliche Chance für den EU-Beitritt gibt, sondern ihn auf unbestimmte Zeit im Vorzimmer warten lässt. ... Europa kann - durch das Angebot gegenseitiger Vorteile - auf dem Balkan umso mehr die Zügel in der Hand halten, je weniger es externen Mächten wie Russland, den USA, Saudi-Arabien oder Katar erlaubt, in das dortige Vakuum einzudringen und die dort lebenden Gemeinschaften auf der Grundlage ihrer ethnisch-religiösen Sympathien zu Vasallen zu machen.“
Das kommt bei den Bürgern an
Erfreuliche Entwicklungen im Verhältnis EU-Westbalkan beobachtet Dnevnik:
„Wirtschaftliche und politische Initiativen verschiedener Paten (Deutschland, USA und Frankreich) im Rahmen eines neu entdeckten europäischen Interesses am Westbalkan ergänzen nun den Erweiterungsprozess. ... Mit der engeren Anbindung der Balkanländer in Bereichen, die für deren Bürger wichtig sind, gibt die EU das Beste, was sie in dieser Phase des Prozesses neben Finanzhilfen und wiederholten Erweiterungsgarantien bieten kann. Die Möglichkeit der Ausbildung an Hochschulen in EU-Ländern, der freie Grenzübertritt mit Personalausweisen, die gegenseitige Anerkennung von Diplomen sowie die Reduzierung der Roaming-Kosten sind Gewinne für die Region, die auch die Bürger spüren.“
Kroatien kann sich glücklich schätzen
Die Hürden für einen EU-Beitritt werden immer höher, konstatiert Jutarnji list:
„Kroatien kann glücklich sein, dass es trotz aller Schwierigkeiten 2013 der EU beitreten konnte und nun bald der Eurozone und Schengen beitreten wird. Man darf nicht vergessen, wie schwer das war. Wir haben länger als alle vor uns verhandelt und mussten noch mehr Bedingungen erfüllen. Diejenigen, die nach Kroatien an der Reihe sind, verhandeln noch einmal länger und müssen noch mehr Bedingungen erfüllen. ... Es ist gut, dass Kroatien den EU-Beitritt naher und ferner Nachbarn unterstützt und dabei bereit ist, mit seiner Erfahrung zu helfen. Denn, auch wenn wir in der EU sind, haben wir weiterhin dieselben Nachbarn, deren Perspektive an unsere Stabilität, unseren Fortschritt und unsere nationalen Interessen gebunden ist.“
Und dann kam er doch ...
Nachdem der serbische Präsident Aleksandar Vučić erst wütend gedroht hatte, aus Protest gegen die Politik des Kosovos dem Gipfel fernzubleiben, nahm er dann doch teil. Peščanik macht sich lustig:
„Ich werde niemals nach Tirana kommen - richtete Vučić sauer aus Tirana aus. Ok, ganz so war es nicht. ... Warum geht Vučić eigentlich nach Tirana, wo er doch gewütet hatte, er würde nicht gehen? Vučić geht nach Tirana, um dort allen zu sagen, dass er nicht nach Tirana kommen wollte. Denn, Leser denke nach: Wenn er nicht nach Tirana geht, wer würde denen dort sagen, dass Vučić nicht nach Tirana will? Die Menschen in Tirana wären großer Uninformiertheit überlassen, denn sie wüssten gar nicht, wie Vučić sich fühlt.“