Rentenreform in Frankreich: Augen zu und durch
Frankreichs Präsident Macron hat die umstrittene Rentenreform in Kraft gesetzt - nur wenige Stunden, nachdem der französische Verfassungsrat sie in wesentlichen Punkten gebilligt hatte. Gerade die Punkte, die vorteilhaft für Arbeitnehmer gewesen wären, wurden aber aus formalen Gründen aus dem Gesetz gestrichen. Macron verteidigte sein Vorgehen und erklärte am Montag, er gebe sich 100 Tage Zeit, um das Land zu befrieden.
Hätte Bulgarien doch nur so einen Staatsmann
Club Z bewundert Macrons Standhaftigkeit und Durchsetzungsvermögen:
„Er scheint auf dem richtigen Weg zu sein, das zu erreichen, was seine Vorgänger Chirac, Sarkozy und Hollande nicht geschafft haben - das großzügige französische Sozialmodell auf eine solide wirtschaftliche Grundlage zu stellen. ... Dabei wäre es für den französischen Präsidenten viel bequemer gewesen, die heiße Kartoffel Rentenreform an seinen Nachfolger weiterzugeben, als sich Ärger für den Rest seiner Amtszeit einzuhandeln. ... Hätte Bulgarien doch nur einen Staatsmann wie Macron, der in der Lage wäre, mit der gleichen Durchsetzungskraft für eine prinzipientreue Position einzutreten und nicht stur aus Parteiinteressen zu handeln.“
Vom kleineren zum größeren Übel
Macron spielt Marine Le Pen in die Hände, meint Dnevnik:
„Die Franzosen lehnen die Reform auch deshalb ab, weil sie ein Projekt von Macron ist, einem 'absolutistischen Monarchen', der sich vor allem bei den Steuern auf die Seite der Reichen stellt, während die Kluft zwischen ihnen und den unteren Schichten immer größer wird. Dass er vor einem Jahr nur deshalb wiedergewählt wurde, weil man Marine Le Pen nicht als Präsidentin haben wollte - daran will er gar nicht denken. Umfragen zufolge hat die rechtsextreme Partei, die friedliche Proteste unterstützt, aber keine Blockaden von Straßen und Raffinerien, am meisten von der aktuellen Krise zu profitieren.“
Viele Aufgaben für den Präsidenten
Macron muss sich jetzt wirklich anstrengen, um eine endgültige Krise der Demokratie zu verhindern, warnt Les Echos:
„Im Augenblick besteht seine Herausforderung darin, verärgernde Worte an die ohnehin schon unzufriedenen Franzosen zu vermeiden. Kurzfristig muss er ein neues Kapitel aufschlagen und Inhalte, nicht nur Worte, zu lebensnahen Themen wie Inflation und Arbeit anbieten. Und mittelfristig muss er aus der Falle der relativen Mehrheit (politisch, aber auch sozial) herauskommen, denn eine vierjährige Untätigkeit würde dieses Mal eine echte Krise der Demokratie einleiten.“