Braucht Europa den digitalen Euro?
Die EU-Kommission will den digitalen Euro einführen und hat am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt. Das elektronische Zahlungsmittel soll parallel zum Bargeld im gesamten Euroraum gelten. EZB und Brüssel reagieren damit auch auf die Entwicklung, dass gerade mehrere Staaten an Alternativen zu privaten Kryptowährungen arbeiten. Inwieweit das den Aufwand wert ist, fragt Europas Presse.
Ein logischer Schritt nach vorn
Times of Malta veröffentlicht einen Kommentar, in dem Valdis Dombrovskis, EU-Kommissar für Wirtschaft, und Fabio Panetta, Mitglied des EZB-Direktoriums, die Bedeutung des Projekts hervorheben:
„Die Bargeldnutzung ist in vielen Teilen der Welt, auch in Europa, rückläufig. Auf dem Weg zu einer echten digitalen Wirtschaft ist die Weiterentwicklung von Zahlungsmöglichkeiten für das digitale Zeitalter der logische nächste Schritt. Wenn beide Optionen – ein Bargeld-Euro und ein digitaler Euro – vorhanden sind, kann jeder selbst entscheiden, wie er bezahlt, und niemand wird bei der Digitalisierung des Zahlungsverkehrs zurückgelassen. Entscheidend ist, dass es den Europäern ermöglicht wird, im gesamten Euroraum, von Dublin bis Nikosia und von Lissabon bis Helsinki, digital zu bezahlen.“
Rettungsinsel für stürmische Zeiten
Einen zusätzlichen Schutz insbesondere in Krisenzeiten erkennt NRC:
„Die einfache Tatsache, dass die Währungsunion in einigen Jahren über eine garantierte digitale Form der Einheitswährung verfügt, ist von entscheidender Bedeutung. Sollte es dann nötig sein, weil die Geschäftsbanken erneut in Probleme geraten, gäbe es dann ein Instrument, das eingesetzt werden kann. Der Rückzugsort, den die EZB dann bietet, kann dann schnell erweitert werden zu einer sicheren Insel in einer rauen See des Finzanzkapitalismus. Diesen Schutz verdienen die europäischen Bürger.“
Nutzen ist begrenzt
Der Kurier stellt sich die Frage, was das Projekt digitaler Euro überhaupt soll:
„Digital bezahlen kann man ja schon längst. Per Debit- und Kreditkarte etwa. Beim Onlineshopping gibt es Lastschrift, Karten, Klarna, Paypal. Es ist schwer erkennbar, welchen Vorteil die Konsumenten hier durch einen digitalen Euro haben könnten. Der digitale Euro wird auch nicht dafür sorgen, dass europäische Banken bei grenzüberschreitenden Zahlungen weniger abhängig von US-Konzernen werden. Viele Geldhäuser in Europa verlassen sich bei den Zahlungssystemen aber sicher auch in Zukunft ganz auf Mastercard und Visa. ... Die Einführung des digitalen Euros ist politisch nachvollziehbar. Ökonomisch ist das Ganze ein Mega-Aufwand. Der Nutzen ist jedoch begrenzt.“
Sie wissen nicht, was sie tun
Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist nicht ganz klar, welchen Zusatznutzen die digitale Währung stiften soll:
„Der zuständige EZB-Direktor Fabio Panetta – der ironischerweise bald aus dem Direktorium ausscheiden wird – hat das Projekt immer mit der zunehmenden Konkurrenz privater Digitalwährungen begründet und damit, dass überall auf der Welt ähnliche Projekte in Planung seien. Das ist ein ehrenwertes Motiv, aber kein hinreichender Grund. Noch weniger reicht die Phrase von der 'strategischen Autonomie' Europas, die der digitale Euro angeblich stiftet. ... Wäre es nicht besser gewesen, sich zuerst über den Sinn des Projekts zu einigen und es dann in Gang zu setzen? Jetzt wirken alle Beteiligten wie Getriebene, die eine Entwicklung nicht mehr einfangen können, von der sie nur halb überzeugt sind.“