Spanien-Wahl: Droht eine politische Blockade?
In Spanien ist die konservative PP als stärkste Kraft aus der vorgezogenen Wahl zum Abgeordnetenhaus hervorgegangen. Nach Auszählung fast aller Stimmen erreichte sie einen Zuwachs auf 136 Sitze (89 Sitze vor vier Jahren) von insgesamt 350 Sitzen. Die Sozialisten von Premier Sánchez erreichten 122 Mandate. Die rechtspopulistische Vox erlangte 33 Sitze, das Linksbündnis Sumar 31 Sitze. Somit ist für kein Lager eine absolute Mehrheit in greifbarer Nähe. Kommentatoren fragen sich, wie es nun weitergehen könnte.
Große Parteien müssen aufeinander zugehen
El Periódico de España freut sich, dass Vox von 52 auf 33 Sitze geschrumpft ist:
„Solange sich die Konservativen und die Sozialisten nicht an den Verhandlungstisch setzen, ist Spanien zur Instabilität verdammt, was zu einer Wiederholung der Wahlen oder einer schwachen, kurzlebigen Mehrheit führen könnte. Die Spanier lehnen eine große Koalition wie in Deutschland und anderen Ländern ab. Aber zwischen diesem Szenario, das zur Zersetzung einer der beiden Parteien führen könnte, und dem Fehlen minimaler politischer Beziehungen müsste Handlungsspielraum sein. Eine der besten Nachrichten ist, dass Vox in die Bedeutungslosigkeit gestürzt ist, worüber auch Europa erleichtert ist. Vox hat im Parlament nur Unruhe gestiftet, und genau das hat eine alternative Mehrheit der rechten Mitte vereitelt.“
Regierungsbildung wird schwierig
El Mundo sieht harte Zeiten kommen:
„Die Wahlen haben eines der übelsten Szenarien hervorgebracht. Das Land ist der Instabilität und der Ungewissheit ausgeliefert. ... Die Bürger haben der PP einen Sieg beschert, aber keine ausreichende Mehrheit, um zu regieren. ... Regierungspräsident Pedro Sánchez hat standgehalten und könnte seine Koalition mit Sumar, ERC [aus Katalonien] und Bildu [aus dem Baskenland] neu auflegen. Die Situation ist aber schlimmer, denn er braucht auch die unmoralische Unterstützung von Junts per Catalunya, der Partei des flüchtigen Präsidenten Carles Puigdemont. ... Es wird alles andere als einfach: Im Senat hat die PP die absolute Mehrheit, und viele Kommunen werden von der PP regiert.“
Stillstand ist ein Nährboden für Vox
Público befürchtet, dass Vox zum Nutznießer des drohenden politischen Stillstandes in Spanien werden könnte:
„Die Rechtsradikalen wollten eine hohe Stimmenzahl erreichen, die die Bildung einer Koalitionsregierung mit der PP unumgänglich machen würde. Für den Fall, dass dies nicht gelingen sollte, favorisierte [Vox-Chef] Santiago Abascal insgeheim einen Wahlsieg von Sánchez im Verbund mit den für die Unabhängigkeit eintretenden Regionalparteien - das beste Szenario für die Stärkung seiner Partei. Die extreme Rechte nährt sich von den Krisen und Sackgassen des Systems. Ein Stillstand, wie wir ihn wahrscheinlich erleben werden, ist ein guter Nährboden für populistische Demagogie.“
Konservative helfen den Brandstiftern Europas
De Morgen kritisiert, dass die Europäische Volkspartei (EVP) nicht gegen die Zusammenarbeit von Konservativen mit Rechtsradikalen opponiert:
„Es bleibt mucksmäuschenstill, und das ist besorgniserregend. ... In Österreich darf die ÖVP heute ungestört regionale Koalitionen schließen mit der FPÖ. ... In Italien ist EVP-Mitglied Forza Italia jetzt Partner der radikal rechten Premierministerin Giorgia Meloni. ... Trotz einiger Proteste aus den eigenen Reihen ließ [EVP-Vorsitzender Manfred] Weber das durchgehen. Das große Risiko ist, dass die rechte Mitte mit dieser Art von Allianzen der äußersten Rechten die Streichhölzer reicht, um Brand zu stiften in unserer europäischen Demokratie. Die EVP sollte daher schon aus Eigeninteresse der PP abraten, eine Koalition mit Vox einzugehen.“