Wie geht Russland mit den Sanktionen um?
Seit Februar 2022 hat die EU insgesamt elf Sanktionspakete gegen Russland verhängt. Auch Washington erweiterte mehrfach die Liste der russischen Unternehmen, mit denen US-Firmen keinen Handel treiben dürfen. Aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln schaut Europas Presse auf die Auswirkungen dieser Politik.
Der Kreml plündert im eigenen Land
Der Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew sieht auf The Insider die Zwangsverwaltung russischer Tochterfirmen von Konzernen wie Danone und Carlsberg als Beleg einer kurzsichtigen Strategie:
„Seit dem Beginn von Putins Herrschaft ist die russische Wirtschaft vor allem durch ausländische Investitionen gewachsen. So wurden ganze Branchen wie Automobilbau und Verkehrstechnik aufgebaut. Jetzt orientiert sich Putin auf kurzfristige Auswirkungen seines Handelns und beschlagnahmt stillstehende Anlagen in der Hoffnung, sie bei einem Eigentümerwechsel wieder in Betrieb nehmen zu können (dieses Schema schwebt ihm beim Weiterverkauf einiger Firmen an Chinesen vor), oder er beschlagnahmt funktionierende Anlagen, um seine Loyalisten zu belohnen. Da in den nächsten drei bis fünf Jahren sowieso keine ausländischen Investitionen nach Russland kommen, hält man jetzt alles für erlaubt.“
Ohne Verluste kommen Investoren nicht davon
Russland verbietet den Verkauf von Unternehmen ohne die Zustimmung der staatlichen Kommission für ausländische Investitionen. Dass ausländische Firmen, die jetzt das Land verlassen, beim Verkauf oft weniger als die Hälfte des Marktwerts erhalten, gehört für die Wirtschaftszeitung Verslo žinios zum Geschäftsrisiko:
„Dies verlangsamt den Prozess des Rückzugs ausländischer Investoren, der dennoch stattfindet. ... Verhaftungen, Konfiszierung der Vermögenswerte, Enteignung von Unternehmen sind Teil der normalen Praxis des Regimes. Und das nicht nur in Russland, sondern auch in Belarus, aus dem ausländische Investoren ebenfalls möglichst verlustfrei abreisen möchten. ... Wenn man sich eingesteht, dass die Investition in Russland ein Fehler war, sollte man die Kraft finden, die Konsequenzen zu tragen.“
Der Wirtschaft fehlen die Mitarbeiter
Gazeta Wyborcza analysiert die Auswirkungen auf den russischen Arbeitsmarkt:
„Die Löhne der Russen steigen in rasantem Tempo. Dies ist jedoch kein Anzeichen wachsenden Wohlstands, sondern ein weiteres Symptom der Probleme, die die russische Wirtschaft infolge des Krieges in der Ukraine plagen. ... Die Arbeitslosigkeit sinkt, weil ein Teil der Russen an die Front geschickt wurde und Hunderttausende andere das Land verlassen haben, um der Einberufung zu entgehen. Darüber hinaus wird der Bedarf an Arbeitskräften durch die erhöhte Produktion von Waffen sowie von Ersatzgütern verstärkt, da die Importe nach Russland infolge des Krieges eingeschränkt wurden.“
Chinesische Dienstwagen statt West-Marken
Putin, Finanzminister Siluanow und Duma-Vorsitzender Wolodin haben gleichermaßen öffentlich gefordert, dass russische Beamte künftig "einheimische Autos" als Dienstwagen fahren sollen. Der Automobiljournalist Igor Morscharetto fordert auf NSN Spielraum bei der Auslegung:
„Bisher galt alles, was in Russland produziert wird, als russisch: BMW aus Kaliningrad, Hyundai und Kia aus St. Petersburg. Wenn man hingegen nur die Produktion von AvtoVAZ, GAZ und UAZ als russisch ansieht, sind wir in einer seltsamen Lage: AvtoVAZ stellt vier Modelle her, UAZ drei - und sie alle sind sehr alt. Aber wenn wir zum Beispiel das Werk von Haval [einer chinesischen Marke] in der Region Tula als russisch betrachten, wäre das Problem gelöst.“
Ross und Reiter nennen
Daten des lettischen Wirtschaftsministeriums zufolge gehen die Handelsbeziehungen mit Russland zurück. Die Namen der Unternehmen, die weiter Handel treiben, werden vom Ministerium nicht veröffentlicht. Neatkarīgā hinterfragt das:
„Die EU und unser Parlament Saeima sehen Russland als einen Staat an, der den Terrorismus unterstützt (tatsächlich ist Russland selbst ein terroristischer Staat). Jede Art der Zusammenarbeit mit diesem Land ist folglich eine Unterstützung des Terrorismus – wenn auch in indirekter Form. Warum sollte dies ein Geschäftsgeheimnis bleiben? ... Das ist nicht nur eine äußerst große Schande für diese Unternehmen, sondern auch eine echte Stütze für Russland – in seinem blutigen Krieg gegen die Ukraine. Und das ist ein Verbrechen.“