Woher die Spannungen zwischen Ukraine und Polen?
Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind die Beziehungen zwischen Polen und der Ukraine merklich enger geworden. Polen will nun aber die bis September geltenden Einfuhrbeschränkungen für ukrainisches Getreide eigenmächtig verlängern. Im Zuge dessen forderte Marcin Przydacz, außenpolitischer Staatssekretär von Polens Präsident Duda, mehr Dankbarkeit von Kyjiw, das daraufhin den polnischen Botschafter einbestellte.
PiS gefährdet wertvolle Verbindungen
Krytyka Polityczna kritisiert die polnische Regierungspartei scharf:
„Es war absehbar, dass die Polen und Polinnen früher oder später müde sein würden, ukrainischen Frauen Hilfe zu leisten. ... [Die Regierung] hat aber keine Antworten auf die wachsende Ungeduld parat, obwohl sie darüber sprechen könnte, wie schnell die Ukrainerinnen ihren Weg in den polnischen Arbeitsmarkt gefunden haben und wie dies das polnische Wirtschaftswachstum verbessert. Sie könnte an die Zivilcourage der Polinnen und Polen im Angesicht eines blutigen Krieges erinnern und zeigen, wie diese Haltung unser Image in Europa und der Welt verbessert hat. ... Die Regierung verweist nicht darauf, dass die Ukraine auch für unsere Sicherheit kämpft. ... Sie hat nur Worte der Verachtung und Nötigung parat.“
Es geht um mehr als Wahlen und Getreideexporte
Etwas mehr Fingerspitzengefühl im Kontakt mit Polen erwartet Maria Solkina von der London School of Economics in Ukrajinska Prawda:
„Während die ukrainische Seite über die Politisierung der Getreidefrage in Polen empört ist, hat auch die polnische Seite Fragen zum Vorgehen Kyjiws. Bislang werden sie meist inoffiziell geäußert, aber das ist umso besser für uns: Es besteht immer noch die Möglichkeit zu verhindern, dass diese Bedenken zu echten Problemen werden. ... Wenn die Ukraine Polen als strategischen Partner betrachtet, sollte dies in der Kommunikation berücksichtigt werden. ... Vorsicht und ein Abbau der Spannungen auf beiden Seiten sind mehr als angebracht. Es geht um viel mehr als nur um die Auswirkungen der polnischen Wahlen auf die ukrainischen Getreideexporte.“
Scharmützel dienen Partikularinteressen
Auf Polityka wirken die Reaktionen der Ukraine angemessen:
„Mit der Drohung, das Embargo zu verlängern - entgegen der Ankündigung der Europäischen Kommission, es aufzuheben, und entgegen der Position Kyjiws - verfolgt das Kaczyński-Lager sein wahltaktisches Interesse, aber nicht unbedingt das nationale Interesse. ... Die ukrainischen Reaktionen wirken gelassener und reifer als die der PiS-Politiker. Diplomatische Scharmützel dienen weder Polen noch der Ukraine, sondern nur Interessengruppen, die bereit sind, die nationalistische Karte zu spielen. Polen sollte die Bemühungen der EU und der westlichen Diplomatie unterstützen, die Blockade der ukrainischen Getreideexporte aufzuheben.“