Agrarexporte: Ukraine im Streit mit EU-Nachbarn
Die Ukraine hat Polen, Ungarn und die Slowakei vor der Welthandelsorganisation (WTO) verklagt. Das am Freitag verkündete Festhalten dieser Länder an Einfuhrbeschränkungen für ukrainische Agrarprodukte sei rechtswidrig. Brüssel hatte zuvor die im Mai verhängten Beschränkungen auslaufen lassen, die einzelnen EU-Staaten dabei helfen sollten, sich vor billigen Lebensmittelimporten aus der Ukraine zu schützen.
Spaltung vermeiden
Die USA haben kein Interesse daran, dass die einheitliche westliche Haltung durch solche Streitigkeiten geschwächt wird, erklärt Corriere della Sera:
„In der Frage des ukrainischen Weizens gibt es einen Konflikt innerhalb der Europäischen Kommission, die am Freitag die Aufhebung der Ausfuhrbeschränkungen für ukrainisches Getreide nach Bulgarien, Polen, der Slowakei, Ungarn und Rumänien anordnete; drei dieser Länder (Polen, Ungarn und die Slowakei) weigerten sich jedoch, die Beschränkungen aufzuheben, woraufhin Kyjiw ankündigte, sie bei der Welthandelsorganisation zu verklagen. Die Amerikaner wollen aber nicht, dass die europäische Front gespalten wird.“
Menschen sind schließlich keine Engel
Der EU-Marktzugang für ukrainisches Getreide wurde übereilt beschlossen, glaubt Tygodnik Powszechny:
„Die Ursünde war die Entscheidung der EU nach dem 24. Februar 2022, die Ukraine über Nacht und ohne Übergangsfristen im Agrarbereich [de facto] in den EU-Markt zu integrieren - eine Entscheidung, die einstimmig unter dem Eindruck der Invasion getroffen wurde. ... Dabei wurde außer Acht gelassen, wie konkurrenzfähig die ukrainische Landwirtschaft ist und dass sie nicht den EU-Vorschriften unterliegt, die, wie es im Scherz heißt, sogar die Form einer Banane regeln. Es ist, als würde man davon ausgehen, dass die Menschen Engel sind, für die die Gesetzmäßigkeiten des Marktes nicht gelten - die einem ja sagen, dass man sein Produkt am besten gleich hinter der Grenze verkauft (und auf der anderen Seite: billiger einkauft), anstatt es mühsam in die Welt zu schicken.“
Nach den Wahlen ändert sich der Ton wieder
Im Hromadske Radio erklärt Ivan Us, Chefberater des Zentrums für außenpolitische Studien am ukrainischen National Institute for Strategic Studies, warum er glaubt, dass Polen schon bald sein Embargo ukrainischer Güter aufheben wird:
„Mitte Oktober finden in Polen Wahlen statt. Ich habe den Eindruck, dass Polen, sobald sie abgehalten wurden, verkünden kann, dass es alle Verbote für ukrainische Waren aufhebt, weil 'die Ukraine für uns ein brüderliches Land ist, das wir unterstützen'. Aber erst einmal denken sie an die Wahlen und deren Ergebnisse.“
Rumänien läuft Polen den Rang ab
Die PiS verspielt Polens Rolle als wichtigster Verbündeter der Ukraine, kommentiert Rzeczpospolita:
„Die Lebensader der ukrainischen Wirtschaft führt jetzt durch [den rumänischen Hafen] Constanța. Seit Anfang des Jahres wurde so viel Getreide aus der Ukraine über den Schwarzmeerhafen umgeschlagen wie im gesamten letzten Jahr. ... Die rumänische Regierung hat dafür Subventionen von der EU erhalten. ... Die Bemühungen Bukarests werden aber auch von Washington begrüßt. Es sucht langsam nach einem alternativen Verbündeten für die Ukraine, weil es nicht sicher ist, inwieweit es auf Polen zählen kann. Schließlich lebt der ukrainische Staat, abgesehen von den Subventionen der EU und der USA, von seinen Exporten, von denen der Löwenanteil auf den Verkauf von Lebensmitteln entfällt.“