Nahost-Krieg: Berichterstattung und Wahrheitsfindung
Auch zehn Tage nach den ersten Berichten über die teilweise Zerstörung des Al-Ahli-Krankenhaus im Gazastreifen bleibt unklar, wie viele Menschen starben, welches Geschoss das Unglück auslöste, und vor allem, von welcher Seite dieses abgefeuert wurde. Für Kommentatoren steht hingegen fest: Die spontane Berichterstattung erfolgte mit zu wenig kritischem Abstand und sollte zum Nachdenken anregen.
Innehalten im Vorzimmer der Deepfake-Ära
Die Kontroverse über die Berichterstattung macht den Außenpolitikexperten Botond Feledy in Új Szó nachdenklich:
„Die Lehre besteht darin, offen dafür zu bleiben, nach dem Eintreffen neuer Informationen die eigene erste Version der Geschichte zu revidieren, sowohl wenn diese die Geschichte in dieselbe Richtung wie die eigene subjektive Sichtweise bestätigen, aber eben auch im umgekehrten Fall. Es scheint, dass es im Journalismus des 21. Jahrhunderts zu einem nicht unwesentlichen Teil genau darum gehen wird. Und wir stehen gerade erst im Vorzimmer der Deepfake-Ära und der durch künstliche Intelligenz generierten Aufzeichnungen.“
Nicht zum Sprachrohr von Social Media werden
Die Journalismus-Studiengänge sollten Lehren aus diesem Fall ziehen, fordert El Mundo:
„Das Massaker im Al-Ahli-Krankenhaus sollte ein Fall für die Universitäten werden. ... Das Dramatische daran ist, dass viele Journalisten nicht mehr den Nebel in den sozialen Netzwerken lichten, sondern zu deren Sprachrohren geworden sind. ... Im Al-Ahli-Krankenhaus wurde selbst die bescheidenste Form des Journalismus begraben: der, der einfach nur Fakten prüft und auf die Voreingenommenheit seiner Quellen verweist. ... Journalismus, so schrecklich das auch erscheinen mag, erfordert Distanz.“
Russland und China verstärken den Effekt
Falschinformationen können den Westen empfindlich treffen, warnt Le Point:
„Diese Propaganda ist auch deshalb so effektiv, weil sie weltweit von Russland und China verstärkt wird. Die beiden Mächte verfolgen Strategien der digitalen Destabilisierung, um die USA und deren Verbündete zu verunglimpfen. Ihre Methode: Zweifel säen, damit Wahrheit und Lüge nicht mehr unterschieden werden können. … Der Vorwurf der 'Doppelmoral', der dem Westen gemacht wird, ist verheerend. Verbreitet sich der Eindruck, dass die westliche Unterstützung für Israel mit einer Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal palästinensischer Zivilisten einhergeht, wird es für den Westen noch schwieriger, die Länder des Südens von der Richtigkeit ihrer Position [zu Nahost und Ukraine] zu überzeugen.“